Michi Beck von den Fantastischen Vier hat viel um die Ohren: die neue "VIEL LIVE"-DVD promoten, Best-Of-Alben herausbringen und für den Nachwuchs bei Four Music sorgen. Außerdem muss er sich in Clubs von wildfremden Leuten vollquatschen lassen. Wir finden, manchmal muss das sein
Mit Michi Beck sprach Antonia Baum
Week-End
, Alexanderplatz, Berlin – der Dorfclub von Berlin Mitte. Hier ist man entweder Galerist, Fotograf, Model oder Musiker. Alle haben komische Frisuren, Klamotten aus Klebeband oder intellektuelle Tücher um den Hals. Übrig bleibt ein Brei aus lauter neonfarbenen Klecksen. So ist das in Mitte.
Der erste, der mir dort über den Weg lief, war Michi Beck. Er war für mich immer die coolere Alternative zu Mark Owen von Take That. Die Poster sind schon lange abgehängt, gut finde ich ihn trotzdem noch. Okay. Ein paar Gin Tonics geordert und los. Dass ich ihn gerne interviewen würde, habe ich gesagt. Michi Beck hatte keine Lust, dafür hat er sich so mit mir unterhalten. Ich habe ihn alles gefragt: was er gerne liest, was die Frauen machen, was er wichtig findet und wie er über die Berliner Szene denkt.
Michi Beck macht kein Theater um die letzte Custo-Barcelona-Show, das Food-Design auf der Hugo Boss Party oder großangelegte Projekte. Der sieht zwar aus wie alle hier, aber er stellt was auf die Beine, das Seele hat – mit seiner Plattenfirma Four Music. Ehrliche Künstler, keine Plastik-Acts. Zeit für gute Alben, keine Hits in Serie: Max Herre ist mit seinem Album auf Platz eins eingestiegen. Als seine Band "Freundeskreis" am erfolgreichsten war, hat er fünf Jahre pausiert und dann alleine weiter gemacht. Man ließ ihn. Über sein Album freue ich mich immer wieder. Es meint mich. Ein bisschen Inhalt für’ s Latte-Macchiato-Glas.
Nach drei Briefen hat sich Michi Beck doch mit mir zum Interview getroffen.
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Einstand
Hmm... Deine Briefe. Auf jeden Fall haben Sie dafür gesorgt, dass ich Dich nicht vergessen habe. Eine vernünftige Anrede solltest Du Dir angewöhnen... Hätte ich dich nicht vorher ein bisschen gekannt, hätte ich die Anfrage abgesagt: Interviews geben, ohne zu wissen für welches Magazin, mache ich sonst nicht. Das hier ist nur für dich und deine Blitz-Karriere... (lacht)
Bewegung
Ich bin in den Achtzigern groß geworden. Meine Generation war die erste, die das allgegenwärtige Konsumverhalten geprägt hat. Interessant ist, dass es heute keine wirkliche Bewegung mehr gibt, was ich mir für die Leute, die um die Zwanzig sind, schwierig vorstelle.
Als ich in dem Alter war, kam HipHop auf: Neue Fashion, neue Musik, neues Lebensgefühl. Außerdem entwickelte sich in dieser Zeit die Technobewegung. Es gab zwei Hauptströmungen, denen man folgen konnte. Mir hat HipHop eine Ausrichtung gegeben, mit der ich mich identifizieren konnte. Für mich hatte das keine politische Relevanz. Mit Advanced Chemistry und der Zulu Nation gab es eine politische Fraktion – das wirkte stellenweise zwar etwas aufgesetzt, hatte aber gute Aspekte: anders aussehende Deutsche und Emigranten haben dadurch eine Plattform gefunden. Für mich als weißes Mittelstandskind aus bürgerlichem Hause spielten diese Inhalte keine Rolle. Zur Hiphop-Bewegung zu gehören, bedeutete Rebellion und anders sein. Als Teil davon hat man sich ein Gebiet erschlossen, mit dem andere nichts anzufangen wussten. Man brauchte Spezialwissen, das nicht auf allen Kanälen vermittelt wurde.
Die Art sich zu kleiden, transportiert heute keine Botschaft mehr – völlig inhaltslos ist das. Beim HipHop konntest du, indem du dich entsprechend angezogen hast, wenigstens so tun, als wärest Du HipHopper. Heute ist das Outfit nicht mal mehr Maskerade, sondern nur: "sein wie andere". Wenn man sich umguckt, sehen alle gleich aus.
Jung sein
In der elften Klasse bin ich von der Schule geflogen, weil ich nicht mehr hingegangen bin. Danach musste ich eine kaufmännische Lehre machen. Das waren drei Horror-Jahre. Ich habe von morgens bis abends gekifft und war entsprechend antriebslos. Zwischen meinen Eltern und mir gab es die Abmachung, dass ich in ihrer Wohnung bleiben darf, wenn ich diese Ausbildung mache. Weil ich faul war und ungestört weiter kiffen wollte, habe ich die Lehre durchgezogen. Meinen Wunsch, von und für Musik zu leben, haben meine Eltern anfangs nicht akzeptiert. Letztlich ist aus mir doch das geworden, was sie sich erhofft haben: ich bin selbständig, erfolgreich und verdiene ganz gut Geld. Klar kann man das auch in der Porno-Branche sein, aber mit einem einigermaßen ehrbaren Beruf, wie meinem ist das okay.
Erfolg
Als ich 21 war, wurden wir mit "Die da?!" schlagartig bekannt – vom Durchschnitts-Twen zum Popstar. Meine Umwelt reagierte plötzlich anders auf mich: Ständig wurde ich beurteilt und angesprochen. Erstmal dachte ich, ich sei etwas Besonderes und alles was mit mir passiert, müsste auch besonders exklusiv sein. Wenn wir auf einem Festival gespielt haben, fühlte ich mich verarscht, wenn uns ein schlechteres Auto gestellt wurde, als anderen Bands. Das waren Selbstschutzmechanismen, die als Arroganz gewertet wurden. Wahrscheinlich war ich arrogant, aber anders hätte ich die Situation nicht bewältigen können.
In meinem Kopf ist damals aber nicht etwas verrutscht und bis heute so geblieben. Der Halt der anderen drei hat das verhindert. Jeder von uns ist damit anders umgegangen: Thomas hat den Erfolg genossen und ist im Gegensatz zu mir auf die Leute zugegangen. Smudo hat ständig mit allen diskutiert und Andy ist sowieso der entspannteste Typ der Welt. Wir haben uns viel unterhalten. Jeder hat eine eigene Dynamik mit in die Band gebracht. Das hatte den Effekt, dass wir nicht zu kompletten Assis mutiert sind, die koksen und sich denken "Die können uns alle mal hier". Die Band wurde zur automatischen Selbsthilfegruppe.
Anhänger
Menschen, denen ich vorher noch nie begegnet bin, denken, sie stünden einem alten Bekannten gegenüber, wenn sie mich sehen – dem Typen, der über Boxen und Fernseher in ihrem Wohnzimmer vorbei kommt. Obwohl ich als Popstar diesen Effekt kenne, habe ich das Phänomen vor kurzem mit Ben Stiller erlebt, als ich ihm begegnet bin. Den hätte ich nämlich gerne zum Freund (lacht). Dabei ist mir wieder bewusst geworden, was für einen Unsinn man sich da zusammenspinnt. Eine Beziehung, die faktisch nur von einer Seite ausgeht, kann natürlich nicht funktionieren. Die meisten Leute vollziehen diesen entscheidenden Gedankengang aber nicht. Deswegen werde ich von wildfremden Menschen – wie von Dir (lacht) – angesprochen, die denken: "Den kenne ich schon so lange, den höre ich schon seit ich vierzehn bin – ich glaube, der ist mein Freund." So jemand meint das gut. Aber wenn ein fremder Mensch mit weit ausgebreiteten Armen auf mich zu kommt, kann ich das, was er von mir möchte nicht erfüllen.
Eigenliebe
Vor kurzem hat mir meine Mutter erzählt, dass ich als kleines Kind nur dann im Garten spielen wollte, wenn meine Eltern zugesehen haben. In der Schule war ich der Klassenkasper: Nichts auf dem Kasten, aber immer große Klappe. Ich weiß nicht, ob ich narzisstisch bin, oder nur ein überdurchschnittlich großes Bedürfnis habe, mich darzustellen. Popstars stellen sich ja nicht umsonst auf die Bühne, natürlich bin ich eitel...
Medien
Anfangs für mich der absolute Horror, weil wir uns von der Presse ständig verkannt fühlten. Trotzdem hatte das, was über uns in den Medien zu lesen war, oft seine Berechtigung: Wir haben jeden Quatsch mitgemacht. Der Eindruck, der dadurch bei den Leuten entstand, war die Quittung dafür. Dabei meinten wir eigentlich etwas ganz Anderes, konnten das aber nicht vermitteln. Heute bin ich vorsichtiger.
Cool sein
Ich war nicht schon immer so cool wie heute (lacht). In der Schule war ich ein Außenseiter. Als Spätzünder musste ich mich beweisen. Die anderen in meinem Alter waren größer, hatten tiefere Stimmen und waren damals viel cooler, als ich. Als Teenager verstehst du ja die Welt nicht mehr, wenn du merkst, dass du anders bist. Ganz witzig ist, dass wir alle vier in der Schule Außenseiter waren. Ich habe deswegen ständig dummes Zeug gemacht und bin sitzen geblieben. Mit dem Unsinn habe ich trotzdem nicht aufgehört.
Drogen
Ich kiffe gelegentlich, harte Sachen mache ich gar nicht mehr. Mit dem Kiffen habe ich mit sechzehn angefangen. Damals, um etwas Neues auszuprobieren. Wenn ich heute als Besucher in Clubs gehe, bin ich entweder betrunken, breit oder beides. Ohne ist es irgendwie langweilig. Tatsächlich unterschätzt man das Suchtpotential schnell. Beim Alkohol zum Beispiel glaubt man, jederzeit damit aufhören zu können. Aber wenn man ausgeht, trinkt man doch immer wieder. Diese Gewohnheit würde ich schon als Sucht bezeichnen – zwar auf einem recht ungefährlichen Level, trotzdem bleibt es eine Sucht. Hätte ich nie angefangen, Alkohol zu trinken, wäre es für mich wahrscheinlich völlig in Ordnung, nüchtern zu feiern. So völlig ohne Alkohol... (überlegt) das ist lange her.
Geld
Ich habe keine Millionen auf dem Konto. Man kauft sich eine Wohnung, oder investiert zusammen mit der Firma in ein Steuerprojekt, weil irgendwelche Berater sagen, dass sich das so gehört. Das Kapital, das wir haben wird nicht verschleudert, wir brauchen es zum Weitermachen. Ich investiere in Sachen, die ich gerne mache. Musik zum Beispiel.
Der wirklich angenehme Effekt des Berühmtseins ist, dass man überall umsonst reinkommt, nichts für Getränke zahlen muss und Klamotten geschenkt bekommt. Das ist total ungerecht, aber mir gefällt es (lacht). Dafür bin ich eine öffentliche Person und muss mich zulabern lassen.
Familie/Feiern
Ich arbeite an Kindern. Deswegen nicht mehr auf Partys zu gehen, wäre überhaupt kein Problem für mich. Nur auf das Auflegen kann ich nicht verzichten. Abends zuhause zu bleiben, macht mir nichts aus, wenn ich einen Grund dazu habe. Bislang habe ich den aber noch nicht, deswegen gehe ich eben aus.
Leben
Ich glaube an Liebe. Monogamie ist keine einfache Sache, aber ich praktiziere sie seit einer Weile erfolgreich. Am ehesten kann ich etwas mit dem Buddhismus anfangen. Ich lebe nicht danach, aber die Ansätze sagen mir etwas. Ich habe Bücher darüber gelesen und war bei Vorträgen. Aber als die Massenmeditationen anfingen, wurde es mir jedes Mal zu viel, da musste ich aussteigen. Ein allmächtiges Wesen anbeten gefällt mir nicht. An eine spirituelle Kraft zu glauben, ist für mich der stimmigste Ansatz, aber ich kann das noch nicht
channeln
(lacht) – so ein verrückter Eso-Ausdruck...
Leben weiter zu geben macht Sinn, finde ich. Für mich gibt es keine zufrieden stellende Antwort auf die Frage, warum wir leben, sondern nur viele individuelle Sinn-Modelle, die das Weiterleben des Einzelnen möglich machen. Natürlich kann man sagen, der Sinn könnte sein, Gutes zu tun: Je mehr Gutes man tut, desto mehr Gutes widerfährt einem. Ich versuche nach diesem Prinzip zu leben. Oft funktioniert es, manchmal eben nicht.
Champagner/Soziales
...auch den bekomme ich meistens umsonst. Wer viel Geld verdient, muss spenden. Das mache ich. Tut mir nicht weh, außerdem kann ich das teilweise steuerlich geltend machen (lacht). Zu denken, es sei pervers Champagner zu trinken, während für das Geld in Afrika eine Familie eine Woche lang leben könnte, finde ich falsch. Mit der Einstellung hält man es nicht lange aus. Natürlich ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass es Armut gibt, aber deshalb muss man nicht auch so leben. Das zu vergleichen geht nicht. Das sind andere Realitäten.
Hilfe
Verzweiflung kenne ich im Zusammenhang mit Liebe und Musik. Häufiger passiert mir das mit der Musik: wenn ich denke, dass alles, was ich bisher geschrieben habe völlig daneben ist und ich nicht weiter komme. Ernsthaft, das sind sehr tiefe Verzweiflungsgefühle. Ohne pathetisch klingen zu wollen, aber das gehört wohl zum Künstlerdasein dazu.
Die Doppel-Live DVD "VIEL LIVE" der Fantastischen Vier erscheint am 11. November.
Mit Michi Beck sprach Antonia Baum
Week-End
, Alexanderplatz, Berlin – der Dorfclub von Berlin Mitte. Hier ist man entweder Galerist, Fotograf, Model oder Musiker. Alle haben komische Frisuren, Klamotten aus Klebeband oder intellektuelle Tücher um den Hals. Übrig bleibt ein Brei aus lauter neonfarbenen Klecksen. So ist das in Mitte.
Der erste, der mir dort über den Weg lief, war Michi Beck. Er war für mich immer die coolere Alternative zu Mark Owen von Take That. Die Poster sind schon lange abgehängt, gut finde ich ihn trotzdem noch. Okay. Ein paar Gin Tonics geordert und los. Dass ich ihn gerne interviewen würde, habe ich gesagt. Michi Beck hatte keine Lust, dafür hat er sich so mit mir unterhalten. Ich habe ihn alles gefragt: was er gerne liest, was die Frauen machen, was er wichtig findet und wie er über die Berliner Szene denkt.
Michi Beck macht kein Theater um die letzte Custo-Barcelona-Show, das Food-Design auf der Hugo Boss Party oder großangelegte Projekte. Der sieht zwar aus wie alle hier, aber er stellt was auf die Beine, das Seele hat – mit seiner Plattenfirma Four Music. Ehrliche Künstler, keine Plastik-Acts. Zeit für gute Alben, keine Hits in Serie: Max Herre ist mit seinem Album auf Platz eins eingestiegen. Als seine Band "Freundeskreis" am erfolgreichsten war, hat er fünf Jahre pausiert und dann alleine weiter gemacht. Man ließ ihn. Über sein Album freue ich mich immer wieder. Es meint mich. Ein bisschen Inhalt für’ s Latte-Macchiato-Glas.