Auch in Deutschland wird sich, nach einer Phase, in der gedruckte Bücher noch ein Prestigeobjekt sind wie heute eine Plattensammlung, die nächste Generation schon viel leichter von ihnen trennen. Genauso wenig, wie man heute 14-Jährige von den Produktvorteilen einer Vinylplatte der Rolling Stones aus der Decca-Periode der ausgehenden 60er überzeugen kann, werden sich in absehbarer Zeit junge Menschen wohl kaum vom bleibenden Wert eines teuren, schweren und unabwandelbaren Hardcovers überzeugen lassen.
Genauso selbstverständlich, wie die Großeltern eine Platte auf den Dual legten, laden sie sich dann die kommentierte und verlinkte Ausgabe der Kurzgeschichtensammlung von Marie Luise Kaschnitz aufs Handy und schicken die Version mit ihren eigenen Randnotizen an alle Freunde weiter. Blätten? Wozu, wenn es doch eine Volltextsuche gibt.
Es sind die gut verdienende Mittdreißiger, die ihr Leben jetzt schon mit dem iPhone organisieren. Wenn die Computerfirma mit der patentierten Drehscheibe irgendwann ihre erste Kollektion eines "iReaders" im bonbonfarbenen Design auf den Markt bringt, werden die Dinger in Windeseile zum Must-Have der Digitalen Bohème werden. Die Vorstellung, 200 Bücher der Gegenwartsliteratur auf einem Gerät mit in den Urlaub zu nehmen, entspricht heute schon einer ganzen Generation, die zeitlich und räumlich völlig ungebunden ist und sich gezielt Informationen aus dem Internet zusammengoogelt. Sie sind es gewohnt, für Hardware Geld auszugeben. Den "Content" ziehen sie sich aus dem Netz. Für schmales Geld oder gleich kostenlos.
Wenn Bücher zu Dateien werden und Literatur zu Content, wird sich daran kaum ein brauchbares Geschäftsmodell knüpfen lassen. Einen wirksamen Kopierschutz wird es nicht geben. Wer digitale Bücher allen Ernstes kauft, wird dafür einen niedrigen Einheitspreis à la iTunes bezahlen. Geld lässt sich damit durchaus verdienen – für die Inhaber der Downloadshops und für die Anbieter der Hardware. Lektoren und Künstler haben die üblicherweise nicht auf ihrer Gehaltsliste.
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Als vor elf Jahren der erste MP3 -Player namens "Rio" auf den Mark kam, kostete er 240 Dollar, sah scheiße aus und schaffte gerade mal eine Stunde Musik. Man musste sich wirklich keine Sorgen machen.