//Zitate-Blog//

Zitat des Tages

Es wird viel gesagt, wenn der Tag lang ist. Und es gibt viele lange Tage »

 

//Kochblog//

Rezeptor

Unser Topf soll schöner werden? Das Zuender-Kochblog hilft »

 

//Spielen//

Wir wollen Spaß

Kommt ins Bälleparadies – alle Spiele vom Zuender gibt es hier »

 

//Newsletter//

Post von Zuenders

Was gibt es neues aus der Redaktion? Unser Newsletter informiert Dich an jedem ersten Donnerstag im Monat. Hier anmelden »

 
////

DIREKTE DEMOKRATIE

"Vertraut euren Mitmenschen"

Eine Volksabstimmung über mehr Bürgerbeteiligung in Hamburg ist gescheitert. Brauchen wir überhaupt mehr direkte Demokratie und wie funktioniert sie?

Am Sonntag sollten die Hamburger in einer Volksabstimmung entscheiden, ob die Bürger in ihrer Stadt künftig mehr Mitspracherecht haben sollen. Die Verfassungsreform ist allerdings gescheitert , weil zu wenige Bürger ihre Stimme abgegeben haben - vorgeschrieben war eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent. Wir haben vor der Abstimmung mit Gregor Hackmack vom Verein Mehr Demokratie gesprochen.

ZUENDER: In wenigen Sätzen – worum geht es am Sonntag in Hamburg?

GREGOR HACKMACK: In Hamburg gab es in den vergangenen Jahren zwei Volksentscheide: Einmal gegen den Verkauf der öffentlichen Krankenhäuser an einen privaten Investor und für ein neues Wahlrecht in der Hansestadt. In beiden Fällen haben sich die Politiker über die Ergebnisse hinweggesetzt und eine gegenteilige Entscheidung gefällt. Das ist weltweit einmalig. Wir wollen die Hamburger Verfassung nun so ergänzen, dass Volksentscheide von Bürgerschaft und Senat akzeptiert werden müssen.

Über eine Frage wie den Verkauf der Krankenhäuser werden sich viele kluge Menschen im Senat, in der Bürgerschaft und in der Stadtverwaltung den Kopf zerbrochen haben. Kann man denen nicht vertrauen?

Es gab Argumente dafür und dagegen. Welche letzten Endes richtig waren, wird die Zeit zeigen. Aber nach allem, was wir nach drei Jahren wissen, war der Verkauf vielleicht nicht die allerbeste Entscheidung. Und wenn man Bürger und Angestellte heute fragt, haben die Bedingungen in den Krankenhäusern sich nicht verbessert.

Aber ist es deshalb schon eine gute Idee, die Bürger einer Stadt über eine so komplexe Entscheidung abstimmen zu lassen?

Niemand muss genau verstehen, wie ein Motor funktioniert, um Auto fahren zu können. Jeder kann sich eine Meinung darüber bilden, ob die Gesundheitsversorgung seiner Stadt lieber in öffentlicher oder in privater Hand liegen soll. Oder ob er bei einer Wahl mehr oder weniger Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments haben möchte. Das sind doch Grundsatzentscheidungen, die jeder Mensch für sich treffen kann.

Wenn man sich das immer wieder verschärfte Abschieberecht in der Schweiz vor Augen hält, fragt man sich schon, ob die Leute immer zum Wohle aller entscheiden. Auch das Ergebnis einer Volksabstimmung über die Todesstrafe wäre unter Umständen kein Dienst an der Demokratie .

Demokrat sein bedeutet immer, Vertrauen in seine Mitmenschen zu haben. Sonst dürfte man auch keine Wahlen mehr abhalten, weil man befürchten müsste, dass nur noch Nazis in den Parlamenten sitzen. So ist es ja aber nicht.

Zudem sind Volksentscheide viel weniger anfällig für Populismus. Anders als in der Schweiz zum Beispiel ist das Verfahren in Hamburg dreistufig: Zuerst kommt die Volksinitiative, für die 10.000 Unterschriften und eine sechsmonatige Diskussionsphase vorgeschrieben sind, dann ein Volksbegehren, für das in drei Wochen 62.000 Unterschriften gesammelt werden müssen und dann kommt es erst nach einer dreimonatigen Übernahmephase überhaupt zu einem Volksentscheid. In dieser Zeit wird immer wieder hoch und runter diskutiert – Randthemen wie die Todesstrafe hätten da kaum eine Chance.

Wenn die Hürden so hoch sind – reden wir dann nicht doch nur über eine andere Variante der Kampagnendemokratie? Kann man ohne viel Geld und die Unterstützung der Medien überhaupt so viele Mitbürger mobilisieren?

Nehmen wir als Beispiel den Volksentscheid für ein neues Wahlrecht in Hamburg. Dieser wurde von drei Leuten angeschoben, die dann zu acht ein halbes Jahr lang Unterschriften gesammelt haben. Im Laufe der Kampagne haben sich immer mehr Menschen angeschlossen. Ähnlich ist es jetzt beim Volksentscheid für den Volksentscheid.

Aber es geht nicht darum, einen Volksentscheid immer durchzusetzen. Ebenso wichtig ist, dass Politiker die Möglichkeit im Hinterkopf haben, dass es einen solchen geben könnte. Das bewirkt schon in den Parlamenten, dass Entscheidungen viel stärker begründet und aus der Perspektive der Bürger gedacht werden müssen. Dass die Wähler schon früh in den Entscheidungsprozess einbezogen werden – und sei es nur durch verständlich und nachvollziehbar geschriebene Gesetze. Das ist die Absicht, die eigentlich hinter der Volksabstimmung steht.

Das alles klingt nach einer sehr gesunden Bürgergesellschaft, die dem Stadtstaat Hamburg ja auch immer nachgesagt wird. Aber wie relevant sind Volksentscheide für große Flächenländer, die nicht zugleich Bundesland und Großstadt sind?

Die direkte Demokratie ist kein Hamburger Modell. Im Gegenteil, die Stadt war das letzte Bundesland, in dem 1996 überhaupt basisdemokratische Verfahren in den Verfassung aufgenommen wurden. In Bayern gibt es den Volksentscheid seit der Gründung des Landes nach dem Krieg. Dort sind zum Beispiel Verfassungsänderungen nur per Volksentscheid möglich, wie auch in Hessen. Die Gesetzgebung muss nur so gestaltet werden, dass die direkte Demokratie auch in Flächenländern genutzt werden kann. So hohe Hürden wie in Hamburg wären in Bayern undenkbar.

Aber in einem Stadtstaat wie Hamburg sind dafür andere Hürden viel niedriger. Im Normalfall ist doch das Bürgerbüro des Wahlkreisabgeordneten nur ein paar Straßen weiter. Mit dem kann man jederzeit in direkten Kontakt treten – ihn also kurzerhand besuchen.

Davon sollte sich auch niemand abbringen lassen. Aber am Ende bringt das beste Gespräch nichts, wenn nicht im Zweifelsfall auch ein Druckmittel zur Verfügung steht. In der Politik ist es doch leider so, dass die Bürgerinnen und Bürger nur ernst genommen werden, wenn die Politiker Konsequenzen befürchten müssen.

Durch das Internet, aber nicht nur, gibt es außerdem noch viele andere Wege der Teilhabe. Das Problem ist meistens, dass viel zu wenige sie auch nutzen. Können Volksentscheide das ändern?

Ich denke schon. Wenn Menschen gefordert sind, Entscheidungen selbst zu treffen, steigt das Interesse. Man kommt – zum Beispiel bei der Unterschriftensammlung auf der Straße – mit wildfremden Menschen ins Gespräch und redet über Politik. Nicht "die da oben" entscheiden, sondern jeder für sich. Viele, die Kampagnen für Volksentscheide starten, könnten sich nie vorstellen, in eine Partei einzutreten.

Mal angenommen, der Volksentscheid für den Volksentscheid hat am Sonntag Erfolg. Was könnte dann die erste Sachfrage sein, die in Hamburg so entschieden wird?

Volksentscheide in Hamburg dürfen nur zu Landesthemen stattfinden, also zum Beispiel die Familien- und Schulpolitik. Worum es genau gehen wird, das müssen die Bürgerinnen und Bürger schon selbst entscheiden. Soweit ich weiß, haben sich bereits Initiativen zur Sterbehilfe gegründet, das Nichtraucherschutzgesetz steht zur Disposition – es geht um viele Themen.

Die Fragen stellte Carsten Lißmann

Auch wichtig:

Wollten auch mehr Demokratie - Die Jugendlichen, die im Sommer das Plenum des Bundestages stürmten. Ein Interview

Die Nazis wollen mit - Und setzen auf scheinbar demokratische Kritik an der Globalisierung

Drüber reden? - Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

//  Startseite //  // Politik // Kultur // Leben // Schwerpunkte // Bildergalerien //  // Adam Green // Redaktionsblog // Rezeptor // Markus Kavka // Selim Oezdogan // Sonntagstexte //  // Zitat des Tages // Spiele //  //
//  IMPRESSUM //

 

ZUM SEITENANFANG