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Globalisierung

Die Nazis wollen mit

Gegen den G8-Gipfel wollen viele protestieren. Auch die NPD. Falsche Argumente und platte Rhetorik helfen ihr dabei.

Es dämmert über Berlin und der Himmel ist eigentümlich blau – blauer noch als die Gesichter der „Blue Man Group" , die von ihrem Poster aus über den Potsdamer Platz starren. Dumpfe Typen mit Glatzköpfen gibt es heute Abend aber nur im Showtheater. Jörg Hähnel, der etwas abseits steht und wartet, sieht anders aus. Freundlich lächelnd steht er da, unrasiert auf Kopf und Wangen, in Kordhose und Karo-Hemd. Jörg Hähnel ist von der NPD .

Wir haben uns verabredet, um über Globalisierung zu sprechen, über Kapitalismus und Krieg, über Lohnarbeit und Neoliberalismus. Wenige Wochen, bevor die mächtigste Frau der Welt die mächtigsten Männer der Welt für drei Tage an die Ostsee einlädt, ins mecklenburgische Heiligendamm. Dort trifft sich Angela Merkel im Juni mit den Präsidenten und Regierungschefs der G8-Staaten – Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Russland und den USA – um zu besprechen, wie es mit der Welt weitergehen soll.

Das bringt viele auf den Plan, die mit der Politik dieser Mächtigen unzufrieden sind und mitreden wollen. Christen und Sozialisten , Menschenrechtsgruppen und Autonome , Popstars und Pazifisten . Und die NPD.

Jörg Hähnel ist dafür zuständig, dass sich noch aus dem hintersten Zipfel der sächsischen Schweiz Neonazis auf den Weg nach Heiligendamm machen. Er ist Mitglied des NPD-Bundesvorstandes, stellvertretender Landesvorsitzender in Berlin, Bezirksverordneter in Berlin-Lichtenberg, tritt in seiner Freizeit als rechtsradikaler Liedermacher auf und hat aktuell die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in seiner Partei übernommen. Was die Linken als Neoliberalismus und Globalisierung bezeichnen, soll nun auch von Rechtsaußen angegriffen werden.

„Der Neoliberalismus ist die absolute Herrschaft des Mammons “, sagt Hähnel und stört sich nicht am jüdischen Ursprung des Wortes. Wir sitzen in einer Bar im Sony-Center, in der Höhle des Löwens, wenn man so will. „Globalisierung ist Nivellierung“, fährt Hähnel fort, „und sie zerstört den Menschen. Sie nimmt ihm seine Grundbedürfnisse: Gemeinschaft und Kultur.“ Die amerikanische Mainstream-Kultur walze alles platt. Weltweit. Überall nur noch Hollywood und Halloween, Fast Food und Fettsucht, Black Music und Bling-Bling. Das klingt gar nicht so rechtsradikal. Sondern eher nach deutschem Konsens.

„Das Thema G8 wird von links in die Medien gebracht und die Nazis nutzen das aus“, sagt ein Mitarbeiter der Verdi-Arbeitsgruppe Rechtsextremismus in Berlin/Brandenburg. Was er nicht sagt: Dass die Rechten glauben, sich an das Thema Globalisierung andocken zu können, liegt auch an einem Versäumnis der bürgerlichen und linken Globalisierungskritiker – sie haben sich bisher nicht ausreichend gegen Rechts abgegrenzt und zu oft auf Rhetorik gesetzt, statt auf Inhalte.

Als zum Beispiel vor einigen Monaten eine Teilprivatisierung des Hamburger Hafens zur Debatte stand, pöbelte der lokale Verdi-Landesbezirksleiter: „Wir werden nicht zulassen, dass fremde Mächte oder das internationale Finanzkapital sich die Lebensader Hamburgs unter den Nagel reißen.“ Statt inhaltliche Kritik zu üben, mischte er einen rhetorischen Anti-Kapitalismus mit drastischen, latent anti-semitischen Metaphern – zwei bis drei Bier später, könnte man glauben, würde der Gewerkschaftsfunktionär dem NPD-Mann herzlich zuprosten. Immer wieder hetzen auch Linke im Weltverschwörungston gegen den „amerikanischen Kulturimperialismus“ und sehen deutsche Kultur und Arbeitsplätze von ausländischen Heuschrecken bedroht. So entwerfen sie Feindbilder, denen sich auch Nazis gern anschließen. „Wir treffen mit unserer Globalisierungskritik den Nerv der Zeit“, behauptet der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Sascha Roßmüller, „jetzt sind wir endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.

Trotz aller Vorbehalte, die man bisweilen in der deutschen Gesellschaft gegenüber Fremden und Fortschritt findet – Roßmüller hat Unrecht. Das weiß er auch selbst, sonst würden er und seine Partei mit ihrem menschenfeindlichen Programm viel offener umgehen. „Kriminelle Ausländer raus!“, heißt es immer wieder von den Wahlplakaten der NPD. Die Pläne, die Jörg Hähnel auf Nachfrage verrät, betreffen aber nicht nur straffällig gewordene Ausländer. „Wir wollen die konsequente Ausländerrückführung“, sagt der NPD-Mann. Sein Mittel gegen die negativen Folgen der Globalisierung in Deutschland: Alle Ausländer müssen raus, besser gesagt alle, die die NPD für Ausländer hält. „Es geht ja nicht darum, die Züge voll zupacken und die Leute zu deportieren“, wiegelt Hähnel ab, „die Rückführung wird schrittweise und in Absprache mit den Heimatregierungen erfolgen.“ Nur für die in Deutschland lebenden Juden hat er noch keine Lösung. „Gerade die Juden sind eine Gruppe, die uns Deutsche daran hindert uns zu entfalten“, sagt Hähnel. Das Existenzrecht Israels will die NPD aber nicht anerkennen.

Die Frage, ob er ein Nationalsozialist sei, mag Hähnel nicht verneinen: „Sozialismus – ja!“, sagt er, „Nationalismus – ja!“

Dass ein Anschluss an die Anti-G8-Bewegung gelingen könnte, bezweifelt der Soziologe und Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit genauso wie die Behörden. „Das werden die linken und bürgerlichen Kräfte verhindern“, heißt es beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Von der großen Anti-G8-Demonstration ist die NPD bereits ausgeschlossen. „Unser Protest ist vom Gedanken der Solidarität und der Gleichheit der Menschen geprägt“, sagt Monty Schädel, der die Demo angemeldet hat, „die Nazis stehen für Ungleichheit und passen da nicht rein.“ Wenn sich die Christen, Sozialisten, Menschenrechtler, Autonomen, Popstars und Pazifisten am zweiten Juni in Rostock sammeln, marschiert der braune Widerstand isoliert in Schwerin.

Die Amerika- und Kapitalismuskritiker, Globalisierungsgegner und Gewerkschaftsfunktionäre könnten das Anschlussbemühen der Rechten auch als eine Chance betrachten. Eine Chance, sich nicht auf politische Kampfrhetorik zu beschränken, sondern ihre Kritik am globalen Status Quo zu präzisieren. Und vor allem, eigene Alternativen vorzustellen. Denn politischen Entwürfen, die die Gleichheit der Menschen zum Grundsatz erklären, werden Jörg Hähnel und seine Kameraden sich nicht anschließen können.

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