„Je mehr Orte du zu Gesicht bekommst, desto größer wird die Welt.“
Tony Wheeler, Backpacker und Gründer des Lonely-Planet-Verlages, spaziert durch die Münchner Innenstadt und spricht über Bedienungsanleitungen zum Reisen und das Problem, nie Zeit zu haben
Von Andreas Dorner
Französisch, Italienisch, Spanisch, Polnisch, Tschechisch, Russisch, Schwedisch, Japanisch, auch Hebräisch oder Dänisch, bald Koreanisch und Chinesisch, und ab sofort Deutsch - Tony zählt die Sprachen auf, in denen der Lonely Planet publiziert wird. In jedes dieser Länder hat der Brite mindestens einmal seinen Trekkingschuh gesetzt - anfangs als reisender Mechaniker auf dem Hippie-Trail von London nach Sydney, dann als Autor mit einer fixen Idee und heute als erfolgreichster Reisebuchverleger der Welt. Sein erstes kopiertes Büchlein tackerte er noch mit seiner Frau Maureen selbst zusammen und verkaufte es für ein paar Cent an vorbeireisende Traveller. Heute tackern höchstens noch die Druckmaschinen, dafür schreiben über 250 Autoren unter seinem Dach.
Deine Geschichte klingt wie die britische Version des American Dream. Wie ist das für dich?
Es fasziniert mich immer noch. Ich hätte nie gedacht, dass alles so groß werden würde. Andauernd erlebe ich neue Überraschungen. Es ist seltsam, überall auf der Welt deine eigenen Bücher im Laden zu sehen. Aber noch besser ist es, wenn die Leute die Bücher benutzen, am witzigsten ist das übrigens in Indien. Aber am schönsten ist es, wenn junge Leute zum ersten Mal backpacken gehen und du weißt, dass du ihren Trip interessanter oder überhaupt möglich gemacht hast.
Was hat sich in den Jahren weiterentwickelt, was hat sich verändert?
In einiger Hinsicht haben sich die Bücher überhaupt nicht verändert. Wir haben immer noch die gleichen Standpunkte. Heute sind die Bücher um einiges ausgeklügelter und viel besser geplant. Die Anleitung, um ein Buch zu schreiben, ist mittlerweile länger als das eigentliche Buch. Das ist die Veränderung. Der Spirit ist der Gleiche geblieben: Ich liebe es immer noch zu reisen, und das kommt in den Büchern auch hoffentlich rüber. Unsere Autoren haben alle sehr ähnliche Ansichten und unsere Leser wollen mehr über die Orte wissen, an die sie reisen. Das ist perfekt: Wir wollen Informationen verbreiten und sie wollen Informationen bekommen.
Wo ist da der Unterschied zu anderen Reiseführern?
Anzeige
Natürlich gibt es Ähnlichkeiten. Aber zum einen denken wir anders, zum anderen schreiben wir auch über Orte, für die kein anderer Verlag einen Reiseführer hat. Das ist für mich das Wichtigste! Wir haben zum Beispiel einen Reiseführer über die Mongolei, über den Iran, Äthiopien oder Albanien das haben die anderen nicht. Die ungewöhnlichen Orte interessieren mich am meisten.
Kennst du eure Autoren alle persönlich?
Nein, nein. Manchmal stellt sich der ein oder andere mit den Worten vor: Ich schreibe für dich. Und ich sage: Oh, schön dich kennen zu lernen. Ich kann ja auch nicht alle Bücher lesen. In einige habe ich noch nicht einmal einen Blick rein geworfen. Und normalerweise liest man ja auch erst einen Reiseführer, wenn man ihn tatsächlich benutzt. Das ist der einzige Weg herauszufinden, ob das Buch gut ist, ob es funktioniert. Morgen werde ich zum Beispiel herausfinden, wie gut der Lonely Planet über Albanien ist.
Der sportliche Weltenbummler lacht herzhaft über seinen eigenen, trockenen Humor. 24 Stunden später wird er bereits in einem Flugzeug nach Albanien sitzen. Es ist für ihn nicht ungewöhnlich, allein durch Landstriche zu ziehen, um die die meisten von uns einen großen Bogen machen würden. Zu Fuß oder per Anhalter ist er indes nur noch selten unterwegs nur wenn es sich nicht vermeiden lässt - und trotzdem würde er nie seinen Rucksack gegen einen Koffer eintauschen. Er genießt es, auf die alten Tage Dinge zu tun, die ihm keiner der Rucksackreisenden so schnell nach- und noch weniger vormachen kann. Kurz bevor er nach Deutschland kam, war der Reisefanatiker im Irak.
Ich hab in deinem Blog deine Geschichten über den Irak gelesen und Bilder von dir und amerikanischen Soldaten gesehen.
Ja, das war echt witzig. Ich war aber nur im Norden, dort ist es okay. Ich wollte unbedingt ein Foto von diesem Schild machen, also habe ich die Soldaten einfach gefragt. Und dann wollten sie plötzlich mit auf das Bild. Warum nicht?