Reisen
„Je mehr Orte du zu Gesicht bekommst, desto größer wird die Welt.“
TEIL 4
Trotzdem sind die Autoren im Grunde sehr mächtig.
Wenn wir wieder zurückgehen an Orte wie Kambodscha oder Vietnam, dann haben wir mit dem Lonely Planet tatsächlich viel Einfluss. An solchen Orten müssen unsere Autoren natürlich sehr behutsam damit umgehen. Andererseits ist dies einer der Vorteile: Du kannst ständig deine eigene Meinung einfließen lassen. Jede Ausgabe ist immer auch eine eigene Perspektive.
Wie kann denn so etwas überprüft werden?
Zwei Dinge: Die Leute, die unser Buch benutzen, geben uns Feedback, was falsch oder richtig ist, oder was man besser machen sollte. Und immer, wenn ich auf Reisen bin, dann mache ich mir Notizen und schaue, wie die Bücher funktionieren, und überprüfe alles.
Die Vorstellung, man trifft dich irgendwo auf der Terrasse einer vietnamesischen Bambushütte bei einem Bier, ist schon seltsam. Verheimlichst du oft, wer du bist?
Ach Quatsch. Wenn es jemand herausfindet, mache ich kein Geheimnis daraus oder bestreite, wer ich bin. Aber ich gehe auch nicht auf die Straße und hänge mir ein Schild um den Hals.
Wie reagieren die Leute, wenn sie mitkriegen, wer du bist?
Normalerweise sind die Leute ziemlich locker. Wenn überhaupt, dann habe ich nur einen sehr geringen Bekanntheitsgrad und werde nicht wie ein Fernsehstar auf der Straße belagert. Wenn Leute herausfinden, wer ich bin und was ich tue, finden sie es toll. Sie lesen die Bücher, identifizieren sich mit mir und wir sprechen über die gleichen Dinge. Ach, übrigens: Ich suche einen Gurt für meinen Rucksack.
Bescheidenheit ist eine der offensichtlichsten Tugenden des Abenteurers, Geduld eine weitere, wie sich bald herausstellen wird. Vielleicht hat Tony plötzlich keine Lust mehr, über sich zu erzählen, vielleicht war dieser letzte Satz aber auch eine Einladung, ein kleines Stück an seinem Leben teilzuhaben. Wenige Sekunden später durchkämmt Tony das Erdgeschoss eines vierstöckigen Outdoor-Geschäftes in einer Seitenstraße der Münchner City. Etage eins: erfolglos, dann zwei, drei und vier. Im Treppenaufgang bläst er stoßweise die Luft aus seinem Mund. Kannst du eigentlich Deutsch, Tony? - Ja, ein bisschen verstehen kann ich, ich habe mal einen Kurs gemacht. In jedem Stockwerk scannt er aufmerksam die Regale. Etwas resigniert findet er im obersten Geschoss jede Menge überteuerter Frauenjacken, aber keinen Gurt. Spätestens jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, einen Kundenbetreuer zu fragen, doch Tonys Lippen bleiben verschlossen. Er findet, es wäre eine bessere Idee, sich nach einem anderen Laden umzusehen, fügt aber hinzu, dass es den Gurt wahrscheinlich auch hier irgendwo geben wird.
Vielleicht steckt gerade in diesem Detail das Besondere an dem unscheinbaren Menschen hinter einem Großimperium: Wenn jeder andere es sich leicht machen würde, nimmt Tony sich die Zeit zur Suche. Und findet dabei oft mehr als nur einen Gurt. Geduldig trottet Tony wieder die vier Treppen hinunter - unten angekommen, grinst er schelmisch: Was kann ich noch erzählen?