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Reisen

„Je mehr Orte du zu Gesicht bekommst, desto größer wird die Welt.“

TEIL 3

Das ist in Ordnung. Aber wenn sie die Bücher kopieren, macht mich das nicht gerade glücklich. Es ist verdammt schwierig, etwas dagegen zu unternehmen.

Statt Grübchen vom Lachen graben sich nun tiefe Sorgenfalten in Tonys Gesicht. Seine Antworten werden kürzer, seine Ausweichmanöver ruckartiger, die entgegenkommenden Einkäufer zu Hindernissen. Auf dem Marienplatz findet ein kleines Volksfest satt. Blauweiße Papier-Fähnchen werden verteilt, Menschen drängen sich vor einer Bühne unterhalb des Glockenturms, Japaner knipsen um die Wette. Auch der meist in Sydney lebende Tony wird absorbiert von dem ungewöhnlichen Treiben: „Das klingt ganz schön bayrisch hier.“ Was so bayrisch klingt, ist ein jüdischer Männerchor: In ganz Deutschland wird an diesem Tag der Israel-Tag gefeiert. „Wow“, findet Tony erstaunt, und blickt aufmerksam um sich, als wolle er jede noch so kleine Regung in seinem Gedächtnis festhalten. „Happy Birthday, Israel!“

Gibt es einen Ort, an dem du noch nicht warst und den du unbedingt noch entdecken willst?

Oh Mann, da gibt es ziemlich viele. Je mehr Orte du zu Gesicht bekommst, umso größer wird die Welt. Ich will zum Beispiel nach Ruanda und ich war bisher nicht in der Mongolei – das ist für nächstes Jahr geplant. Im Jemen war ich auch noch nicht, und das muss ein sehr interessantes Land sein. Es gibt so viele Trips, die ich noch nicht gemacht habe. Ich werde wohl nicht lange genug leben, um überall hinzukommen, wo ich gerne hin würde.

Hast du einen aktuellen Lieblingsfleck auf der Welt?

Das nicht, aber es gibt Orte, an die ich gerne zurück möchte. Das Ding ist: Wenn du Reiseführer schreibst, hetzt du immer nur hin und her und wieder zurück. Du hast nie genug Zeit, um den Ort genießen zu können. Wir haben in den Achtzigern ein Jahr in San Francisco verbracht und wir waren in den Neunzigern ein Jahr in Paris. So etwas würde ich gerne häufiger machen. Wenn es nicht ein ganzes Jahr geht, dann vielleicht nur drei Monate. Vielleicht New York, oder ich könnte auch eine Zeit lang hier nach München kommen, das wäre ein toller Spaß – oder Berlin.

Warum machst du es dann nicht einfach? Jetzt hättest du doch Zeit dazu.

Selbst wenn ich durch die Gegend hetze, genieße ich es. Ich denke nur manchmal, dass es schön wäre, die Dinge mit weniger Eile zu tun. Und ich reise jetzt auch tatsächlich mehr als noch vor einiger Zeit. Ich kann alles liegen lassen und das Geschäft läuft weiter. Das ist toll. Langeweile kenne ich nicht, es gibt immer irgendeinen Ort, wo ich unbedingt hin will.

Hattest du denn nie den Gedanken, dich zur Ruhe zu setzen?

Ich habe darüber nachgedacht, habe es aber einfach noch nicht gemacht. Eines Tages wird es sicherlich dazu kommen.

Vermutlich wird dieser Tag noch lange auf sich warten lassen. Tony schmunzelt über sich selbst: Ein so alter Knabe und noch immer auf der Suche. Es ist die Lust auf neue Kulturen, Menschen, Herausforderungen, Leben, Natur. Einige Rucksackreisende sprechen vom Lonely Planet als „Bibel“. Demnach müsste Tony der Gott oder zumindest ein Prophet der Backpacker sein. Als der gelernte Mechaniker das hört, muss er sich beherrschen, nicht laut loszulachen:

Das ist wirklich weit hergeholt. Der Lonely Planet ist keine Bibel, sondern einfach nur ein Buch. Die Leute folgen ihm vielleicht, als ob er eine Bibel wäre. Sie übernachten alle an den gleichen Orten und die werden dann zu bekannt. Das ist alles. Sie sollten das Buch nicht als Bedienungsanleitung verstehen, in der es heißt: Wenn du dies oder das falsch machst, dann wird dein Computer in die Luft fliegen. Es sind lediglich Empfehlungen. Der Lonely Planet soll benutzt werden und Spaß machen, that’s it .

Weiterlesen im 4. Teil »


 
 



 

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