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Gruselgeschichte

Jetzt verhungern die Autoren

Das E-Book kommt. Damit beginnt das Ende des gedruckten Buches. Und das Ende der Verlage, die ähnlich hilflos reagieren wie die Musikindustrie vor zehn Jahren.

Als Marie Luise Kaschnitz in den 70er Jahren ihre Geschichte "Das letzte Buch" auf einer Olympia-Schreibmaschine tippte, gab es das Internet noch nicht. Die Welt des Guten, Wahren und Schönen (oder, um ganz genau zu sein: die Welt des Buches) sah Kaschnitz damals vom Fernsehen bedroht.

In den 80ern, als Kaschnitz’ düstere Vision vom Tod des Buches im Zuge der Hinwendung zu neuen Medien zur Schullektüre wurde, erschien vielen diese Vorstellung übertrieben und unrealistisch. Die Eltern hatten lange Bücherwände, im Kinderzimmer regierten Michel und Madita – und Internet gab es immer noch nicht.

Doch nun ist alles anders. Das Internet gibt es. Und das hat Folgen: Zur Leipziger Buchmesse erscheint der E-Reader Sony PRS-505 auch in Deutschland. Das Gerät ist nicht so stylish wie ein iPod, mit 299 Euro viel zu teuer und technisch längst veraltet. Nicht nur deshalb wiegt sich die Branche in Sicherheit: Wer will schon auf das Rascheln der Seiten verzichten? Wer ist bereit, längere Texte auf einem Bildschirm zu lesen? Wer liebt nicht den Geruch druckfrischer oder über Jahrzehnte im Regal gereifter Bücher?

Nur wenige Buchhändler und -verleger fühlen sich bedroht durch den Sony-E-Reader oder den Kindle, der als Konkurrenzprodukt von Amazon vertrieben wird. "Die Digitalisierung wird das gedruckte Buch nicht abschaffen", sagt etwa Nina Hugendubel, Chefin des gleichnamigen Buchhandelsriesens. Jeff Bezos, der Boss von Amazon, der mit dem Kindle einen nicht besonders erfolgreichen E-Reader im Programm hat (oben links im Foto zu sehen), sieht sogar das Goldene Zeitalter angebrochen: jeder Kunde, "kauft im Schnitt zusätzlich noch einmal 1,6 bis 1,7 Kindle-Bücher pro physisch gekauftem Buch." Demnach profitieren alle vom E-Reader: die Hardware-Anbieter, der Buchhandel, und vor allem: die Verlage, denen die Rechte an den "echten" und an den virtuellen Büchern gehören.

Doch das stimmt nicht. Was die Verlagsangestellten heute erzählen, ist in Wirklichkeit Geschwätz von gestern. Genauso hat auch die Tonträgerindustrie argumentiert – als es sie noch gab. 1999 zum Beispiel. Die Recording Industry Association of America (RIAA) befasste sich zu der Zeit gerade damit, die Anbieter von MP3-Playern massenweise zu verklagen und eine kopiergeschützte MP3-Variante zu entwickeln – vergeblich, wie man nun weiß.

Trotzdem war RIAA-Chefin Hilary Rosen der Meinung, dass es zu einer friedlichen Koexistenz zwischen physischem Produkt und Digitalvariante kommen würde: MP3 werde die CD nicht vom Markt verdrängen, weil den Käufern das "Look & Feel" des Tonträger wichtig sei. Ein Sprecher der Firma "Diamond Multimedia" glaubte das auch – obwohl man als Anbieter eines Players soeben von der RIAA verklagt worden war: "Die Leute brauchen das Einkaufserlebnis, das Rascheln der Verpackung, den Geruch der neuen CD."

Damals hieß es, neuartige Distributionsformen wie "Music On Demand" seien "eine Ergänzung des bisherigen Angebots". Daraus sollte allerdings nichts werden: "Music On Demand" verstand sich als kostenpflichtiger Service, der es den Usern beispielsweise gegen eine Monatsgebühr erlauben sollte, Musik zu streamen. YouTube  hat dieses Erlösmodell zerstört.

"Die CD wird nicht aussterben." – Inzwischen glaubt das nur noch Frank Briegmann, Deutschland-Chef des Majors Universal, der sich noch vor zwei Jahren so zitieren ließ. Es ist aber noch gar nicht so lange her, da haben sie das alle geglaubt. Dass von digitalen Formaten keine Gefahr ausgehe und dass man nur überlegen muss, wie man damit Geld verdient, glaubt heutzutage nur noch eine einzige Branche: Die Buchhändler und –verlage.

Aus dem Tod der Musikindustrie möchte man nicht so recht lernen. Der Erfolg der E-Books auf dem amerikanischen und japanischen Markt zeigt aber bereits, in welcher Geschwindigkeit der Ablösungsprozess vom gedruckten Buch stattfinden kann. Dort produzieren schon einige Autoren ausschließlich für den E-Book-Markt.

Auch in Deutschland wird sich, nach einer Phase, in der gedruckte Bücher noch ein Prestigeobjekt sind wie heute eine Plattensammlung, die nächste Generation schon viel leichter von ihnen trennen. Genauso wenig, wie man heute 14-Jährige von den Produktvorteilen einer Vinylplatte der Rolling Stones aus der Decca-Periode der ausgehenden 60er überzeugen kann, werden sich in absehbarer Zeit junge Menschen wohl kaum vom bleibenden Wert eines teuren, schweren und unabwandelbaren Hardcovers überzeugen lassen.

Genauso selbstverständlich, wie die Großeltern eine Platte auf den Dual legten, laden sie sich dann die kommentierte und verlinkte Ausgabe der Kurzgeschichtensammlung von Marie Luise Kaschnitz aufs Handy und schicken die Version mit ihren eigenen Randnotizen an alle Freunde weiter. Blätten? Wozu, wenn es doch eine Volltextsuche gibt.

Es sind die gut verdienende Mittdreißiger, die ihr Leben jetzt schon mit dem iPhone organisieren. Wenn die Computerfirma mit der patentierten Drehscheibe irgendwann ihre erste Kollektion eines "iReaders" im bonbonfarbenen Design auf den Markt bringt, werden die Dinger in Windeseile zum Must-Have der Digitalen Bohème werden. Die Vorstellung, 200 Bücher der Gegenwartsliteratur auf einem Gerät mit in den Urlaub zu nehmen, entspricht heute schon einer ganzen Generation, die zeitlich und räumlich völlig ungebunden ist und sich gezielt Informationen aus dem Internet zusammengoogelt. Sie sind es gewohnt, für Hardware Geld auszugeben. Den "Content" ziehen sie sich aus dem Netz. Für schmales Geld oder gleich kostenlos.

Wenn Bücher zu Dateien werden und Literatur zu Content, wird sich daran kaum ein brauchbares Geschäftsmodell knüpfen lassen. Einen wirksamen Kopierschutz wird es nicht geben. Wer digitale Bücher allen Ernstes kauft, wird dafür einen niedrigen Einheitspreis à la iTunes bezahlen. Geld lässt sich damit durchaus verdienen – für die Inhaber der Downloadshops und für die Anbieter der Hardware. Lektoren und Künstler haben die üblicherweise nicht auf ihrer Gehaltsliste.

Als vor elf Jahren der erste MP3 -Player namens "Rio" auf den Mark kam, kostete er 240 Dollar, sah scheiße aus und schaffte gerade mal eine Stunde Musik. Man musste sich wirklich keine Sorgen machen.  

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