Wer mit der Fähre von Schweden nach Finnland fährt, will meistens gar nicht nach Helsinki. Sondern 36 Stunden saufen. Die Reeder haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht
Eine Reportage von Alex Fanta
Draußen zieht das Panorama der tausend schwedischen Inselchen mit ihren Holzhäusern und Volvos vorbei. Im letzten Sonnenschein werden an Deck die ersten Dosen Lappin Kulta geknackt.
Im Bauch der Gabriella haben 400 Autos Platz und mehr als 2.500 Passagiere. Außerdem ein Lagerhaus voll Bier und Schnaps. Im Duty Free-Shop klackert eine Pyramide aus Wodkaflaschen im Takt der Schiffsmotoren.
Nach dem Untergang der Sowjetunion mussten sich viele der skandinavischen Reedereien ein neues Geschäftsmodell suchen, Kreuzfahrt plus Alkohol ist das Konzept, das sich durchgesetzt hat. Einmal von Schweden nach Helsinki und zurück – besoffen. Die Gabriella, 1992 gebaut, ist ein Kind dieser Zeit.
Auf der Tanzfläche, die so groß ist wie eine Rentierweide, wird der erste Stehblues angesagt. Ältere Herren aus Tampere und Oulu fordern ihre Frauen zu einem Foxtrott. Der Sänger der Band legt seine fettigen schwarzen Haare zurecht, die Geste hat er auf tausenden Überfahrten geübt.
Die meisten Gäste hier sind Finnen; unter Deck wartet zudem eine Gruppe von zweihundert Erasmus-Studenten aus Helsinki ungeduldig darauf, dass der Zollfrei-Laden öffnet . Überall stehen Spielautomaten, der mit der Aufschrift "Elchjagd" sagt uns besonders zu.
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In den Kabinen neben uns haben Finnen in den Mittdreißigern eingecheckt. Sie sind auf der Rückfahrt und sehen schon etwas mitgenommen aus. Sie seien "quasi auf einem Betriebsausflug", sagt ein Kerl mit breitem Grinsen. Seine langen Haare sind nach hinten gekämmt, unter der Lederjacke trägt er ein Metal-Shirt – finnischer Einheitslook.
Lethargisch reichen sie eine Flasche Schnaps durch die enge Kabine. Sie seien hier, um zusammen etwas zu unternehmen. Mal gemeinsam Spaß haben, und so. Dabei erinnern sie ein bisschen an Figuren aus einem Roman von Raymond Carver.
Später auf dem Karaoke-Deck. Im kreisrunden Raum sitzen Jugendliche und warten auf ihren Song. "Ist das deine erste Reise?", frage ich viele auf dem Schiff. Nein, sagen die meisten, die 36 Stunden zur anderen Seite des bottnischen Meerbusens und retour hätten sie schon öfter gemacht, würden sie noch öfters machen.