Eine 18-Jährige erzählt uns, sie hätte es voriges Jahr auf fünf Touren gebracht, fünf Überfahrten hin- und wieder zurück. Danach wäre eine Schulkameradin ins Krankenhaus eingeliefert worden. "Wir haben weitergetrunken", lacht das Mädchen. Eine schöne Abifahrt sei das gewesen.
Ob einen das Leben im Norden abhärte, frage ich einen Zufallsbekannten. Man versuche nicht darüber nachzudenken, dass bald der Winter komme, entgegnet er mir.
Unsere Reise auf der Gabriella ist das Ergebnis einer gezielten PR-Strategie. Der Ausbau der baltischen Kreuzschifffahrt ging zum Jahrtausendwechsel von der estnischen Silja Lines aus, die mit frischem Kapital von der aufsteigenden Börse in Talinn die Meere eroberte.
Andere zogen nach, Boom und Preisverfall – dem Aufstieg der Billig-Airlines ähnlich – folgte. Heute ist so eine Alko-Kreuzfahrt für 30 Euro zu haben, wenn man früh genug bucht. Allein die Reederei Viking Lines betreibt dreizehn schwimmende All-inclusive Clubs, keine davon unter tausend Passagieren.
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Gekrönt wurde der Trend vom Start der Reality-Serie Färjan im schwedischen Fernsehen, die Exzess und Kotzerei live in neun Millionen schwedische Haushalte ausstrahlt und damit den Kult allwöchentlich ins Ikonische hebt.
Deck 2 ganz unten ist das Äquivalent zu den Todesdecks auf der Titanic. Hier wird mit dem billigen Sprit aus dem Duty Free gefeiert. Team Erasmus hat sich in den schmalen Gängen des Schiffsbauches breit gemacht, sie schmusen und übergeben sich.
Irgendwann kommt der Sicherheitsmann, und scheucht die Menge in die Kabinen. Doch später hocken sie wieder draußen, mit dem unbändigen Habitus besoffener Halb-Rebellion. Unser finnischer Kajütennachbar wird von seinen Freunden aufs Zimmer getragen.
Sonntag früh, Ende der Reise. Die Passagiere taumeln, von den Schiffs-Rausschmeißern gestützt, an Land. Schnell Telefonnummern tauschen, was nicht einfach ist, mit den restlichen Bierkisten unterm Arm.
Hinter den Hafengebäuden breitet sich die nüchterne Klarheit Helsinkis aus. Wir folgen dem Geruch von Kaffee und Fisch.