Vor nicht ganz 15 Jahren, Ende 1993, bekam seine erste demokratische Verfassung. Acht Jahre zuvor hatte
Glasnost
, das Reformprogramm Michail Gorbatschows, das Ende der eingeleitet.
Seit zwei Jahren war
Boris Jelzin
damals im Amt als erster demokratisch gewählter Präsident der Russischen Föderation. Zum ersten Mal in der Geschichte des russischen Volkes waren es nicht Kirchenführer, Zaren oder Generalsekretäre, die über das Geschick der Menschen bestimmten.
Heute, unter der Regierung von Wladimir Putins Partei Einiges Russland dreht sich das Rad wieder zurück. Die Amtszeit , in der viele Staatsbetriebe privatisiert, und einige wenige Oligarchen steinreich wurden, haben viele Russen als Jahre des Chaos in Erinnerung.
Starker Mann, starke Hand wollen die Russen das so? Nicht ganz, sagt Leonid Luks, Professor für mittel- und osteuropäische Geschichte an der Universität Eichstätt. Neben der zaristisch-autoritären Tradition gibt es auch eine freiheitliche Tradition in der russischen Geschichte.
Leonid Luks denkt zum Beispiel an eine Revolte rebellischer Offiziere im Jahr 1825 (
Dekabristen-Aufstand
), die sich weigerten, einen Eid auf Zar Nikolaus I zu leisten. Die Offiziere protestierten gegen die damals verbreitete Leibeigenschaft und hingen liberalen und sozialen Ideen an. Sicher, sie gehörten einer intellektuellen Elite an. Sie waren in der Minderheit. Sie kamen nach .
Jelzin aber sei als Demokrat von einer Mehrheit des russischen Volkes gewählt worden, sagt Leonid Luks. 57 Prozent der Wahlberechtigten stimmten damals für ihn, die Wahlbeteiligung lag mit fast 75 Prozent nur knapp unter bundesdeutschem Niveau.
Zwischen Ende der achtziger und dem Beginn der neunziger Jahre habe sich die Mehrheit der russischen Bevölkerung für die Idee der offenen Gesellschaft und für die Rückkehr nach begeistert. Auch in Russland habe die Obrigkeitsgläubigkeit Grenzen. Nämlich dann, wenn die Menschen von ihren Mächtigen und den herrschenden Verhältnissen nicht mehr überzeugt seien.
Auch das jetzige System könne also ins Wanken geraten. Angst vor einem rebellischen Volk hätten die Regierenden schon jetzt. Leonid Luks vermutet hinter Putins autoritärem Stil die
Angst vor ukrainischen Verhältnissen
. Er verweist auf die Panik, mit der Putin auf kleine demokratische Bewegungen reagiere.
Das russische Volk sei aber sehr geduldig, sagt Maria Usacheva. Die 26jährige ist Germanistin und Politikwissenschaftlerin in . Beobachter sagen, viele Russen zögen doch lieber den Kopf ein und ließen die Politiker machen. Menschenrechtsverletzungen oder Korruption seien keine großen Aufreger in Russland.
Wolfgang Eichwede, Direktor der Forschungsstelle Osteuropa an der Uni , sagt: Die russische Geschichte ist ein schweres Erbe, aber man kann nicht einfach sagen, die Russen könnten keine Demokratie bauen. Das braucht einfach Zeit.