Sonntagstext (1): In dieser Geschichte geht es um Drogen und ein Festival
Von Kati Krause
Die folgende Geschichte hat Kati Krause vor einem Jahr vom Sónar-Festival mitgebracht. Seitdem lag sie bei uns in der Schublade. Doch künftig wird hier immer Sonntags Platz gemacht für etwas andere Artikel: Kurzgeschichten, literarischen Journalismus und Texte, die irgendwo dazwischen liegen. Die Sonntagsgeschichte beim Zuender
Ich sitze vor meinem Computer und versuche zu schreiben. Ist gar nicht so einfach. Es ist Montag Abend, das Sónar-Festival ist gerade vorbei, und seit drei Tagen habe ich nichts Nennenswertes an Nahrung zu mir genommen. Ein Viertel Pizza und neun Tortellinis habe ich heute runtergezwungen. Mir geht’s scheiße.
Schuld ist natürlich die Party. Oder besser gesagt, ihr Ende. Ich hänge prekär über einem schwarzen Loch, kralle mich sozusagen mit den Fingernägeln am Rande des Abgrundes fest. Heute morgen war die Wohnung leer und ich erinnerte mich erst nach dem zweiten Kaffee wieder an meinen Namen. Hätte ich eine Höhle, ich würde mich in ihr verkriechen.
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„Dieses Jahr werde ich es ein bisschen ruhiger angehen lassen“ erklärte Fede voller Zuversicht eine Woche vor dem Sónar. „Nicht wieder Donnerstag bis Sonntag durchfeiern. Und weniger Drogen. Ich bin dafür zu alt.“ Ich lächelte ob seiner guten Vorsätze. Fede saß am Esstisch und betrachtete seine Einkaufsliste. Ein paar Freunde aus London kamen zum Festival, samt Anhang. Und die Sevillaner. Und unser Nachbar hätte auch gerne, für sich und seinen Freund, aber nur wenn’s keine Umstände macht, klar.
160 Pillen
14 Gramm Ketamin
170 Gramm Hasch
40 Gramm Gras
10 Gramm Kokain
15 Gramm MDMA
(Speed)
Fede faltete da Papier zusammen, steckte es in seine Boxershorts, und machte sich auf den Weg.
Eine Woche vor Festivalbeginn ist allerhöchste Eisenbahn. Wer zu spät kommt, zahlt doppelt. Den letzten beißen die Hunde und so. Besser planen als dumm in die Röhre gucken.
Doch, ich kenne auch Menschen, die gehen nüchtern aufs Sónar. Drei sind‘s, glaube ich. Oder vier?
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Es war Freitag abend, 21 Uhr. Alice und ich saßen in der Lobby des Hotels Meridien und warteten auf DJ Krush. Wir waren leicht angetrunken, ein bisschen high und nervös. Für dieses Interview hatten wir ein Treffen mit Ritchie Hawtin sausen lassen.
Es war Freitag: offizieller Partytag. Die Fachbesucher waren am Donnerstag dagewesen, hatten sich umgesehen und waren heute ohne Aktentasche auf das Festivalgelände im Museum für Zeitgenössische Kunst zurückgekehrt, um sich unerkannt unter kiffende Engländerinnen in kurzen Sommerkleidern zu mischen. Man trank, tanzte und freute sich auf die Nacht.
Alice versuchte, der Übersetzerin – eine winzige Japanerin um die 60 – den Unterschied zwischen einem MC, DJ und VJ zu erklären. Ich fummelte mit meinem Telefon herum. „Hallo, Asaki?“ Bei Sony Music in Tokio war es jetzt vier Uhr morgens. „The interview has to be cancelled.“ Krush steckte im Stau. Kann ja jedem mal passieren. Wir könnten es aber wahrscheinlich morgen mittag um 12 noch machen. Das wäre doch kein Problem?
Ich wählte Fedes Nummer. „Cariño, wir brauchen mehr Speed.“