Drogengeschichte
P A R T Y
TEIL 2
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Ich kaute auf ein bisschen Tiefkühlgemüse herum, in der Hoffnung, da noch ein paar Vitamine rauszuziehen, die mir über’s Wochenende helfen würden. Umziehen brauchte ich mich nicht mehr: mein Partyoutfit des Wochenendes bestand aus Fedes Levi’s, Turnschuhen und wechselnden T-Shirts. Keine Handtasche, und kein BH – würde nur unbequem werden. Fede formte liebevoll zwei Lines auf dem Esstisch und reichte mir einen abgeschnittenen Strohhalm, eine Dose Bier und eine Zigarette. Ich nahm alles dankbar entgegen, steckte mir ein paar Plastiktütchen in die Unterhose und zog die Wohnungstür hinter mir zu.
Wir parkten die alte Citroën C15 in einer Seitenstraße des Messegeländes, mitten im industriell-kommerziellen Niemandsland. Wer kein Auto hat, nimmt den Shuttlebus aus dem Stadtzentrum. Einziger Zwischenstopp: die Freihandelszone im Hafenviertel, wo sich die
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befinden – und wo man zu jeder Uhrzeit jede illegale Substanz finden kann. Ob dieser Fahrplan quasi unfallartig zustande kam oder ob ihm ein zynischer Realismus zugrunde liegt, der unbemerkt durch die Bürokratie der Stadtverwaltung schlüpfen könnte, habe ich nie herausgefunden.
Menschenmassen strömten auf das große Gebäude zu, das dalag wie ein gestrandetes Raumschiff. Behelfsmäßige Buden säumten die Straße: Pakistanis verkauften Bier aus Kühlboxen (für 2 Euro die Dose – zweimal die übliche Pakistanirate); junge Südamerikaner hatten richtige Cocktailbars aufgebaut; und der Zigarettenhandel blühte.
Es war kurz nach Mitternacht, und in der Eingangshalle war noch tote Hose. Der Garderobenangestellte unterhielt sich entspannt mit den Mädchen vom Energy Control-Stand, wo man Drogen auf ihre Qualität testen lassen konnte. Zehntausende Quadratmeter Kongressgelände lagen dunkel und laut wummernd vor uns.
Alice rieb sich die Hände. „Nun denn, lasst uns ein paar Drogen nehmen!“
Als CHIC Rahzel im SonarClub ablöste, steckte sie mir ein kleines Papiertütchen in den Mund. Bei Nightmares on Wax kam ich hoch und rannte aufs Klo, um meinen Darm zu entleeren. Als DJ Krush sein Set begann, kaute ich mir bereits das Zahnfleisch weg.
An einige Teile der Nacht erinnere ich mich nicht mehr. An Jeff Mills zum Beispiel. Irgendwann marschierte ich einfach davon und freundete mich in der Eingangshalle mit einem Mädchen aus Salamanca an. Zusammen rauchten wir eine ganze Schachtel Kippen. Die „Rauchen verboten“-Schilder waren schon längst alle heruntergerissen worden. Meine Freunde schickten Suchtrupps aus, um mich zu finden. Sogar beim Roten Kreuz hinterließen sie meinen Namen. Wie die noch zu so viel Vernunft in der Lage waren, weiß ich nicht. Als DJ Shadow sein Hyphy Movement vorstellte, gelangte der Inhalt des zweiten Tütchens durch meine Magenschleimhaut in die Blutbahn, und ich fühlte mich so glücklich wie nie.
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Vier Stunden später wurde es hell. Meine Beine wogen wie Blei und ich hatte Sodbrennen. Auf dem Heimweg kotzte ich in einen Mülleimer. Zuhause zogen Fede und ich die verschwitzten Klamotten aus und standen nackt auf der Terrasse, in der kühlen Morgenbrise. Heimkommen ist immer der letzte Höhepunkt der Nacht.
Ich machte ein Bier auf und schaltete meinen Computer an. Eine E-Mail aus Tokio hatte ich: „Interview at 10.30am“ stand in der Betreffszeile. Es war 8.30. Ich rief Alice an. „Mach’s dir nicht zu gemütlich im Bett.“ Als Antwort nur ein Stöhnen. Ich legte auf und schrieb der winzigen Japanerin eine SMS.
Um 10 Uhr rollte ich aus dem Bett und ins Bad, zog mir die Klamotten an, die noch zusammengeknüllt auf dem Boden lagen, und kramte das Päckchen Speed aus Fedes Hosentasche. Weder Alice noch die Übersetzerin gingen ans Telefon. Ich machte mir eine großzügige Line auf dem Wohnzimmertisch, während ich mit der anderen Hand auf die Wahlwiederholungstaste drückte.
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