Das hatte mich dann auf Jahre hin sehr defensiv werden lassen. Gerade in meinen längeren Beziehungen erwarb ich mir nicht gerade den Ruf eines Draufgängers, vielmehr war ich König Blümchensex. Nicht dass es bei all zu forscher Herangehensweise gleich wieder ein paar hinter die Löffel gab. Darüber reden hätte in der Zeit bestimmt geholfen, aber das fiel ja für mich aus. Bis 26 hatte ich zudem nur lange, feste Beziehungen mit einem soliden, aber eben mitunter unschuldigen und rückwirkend betrachtet nahezu niedlichen Sexualleben. One-Night-Stands und Affären waren mir vollkommen fremd.
Das sollte sich in meiner promisken Phase im Anschluss an eine fast siebenjährige Liaison ändern. Weil es mir in vielen Fällen reichlich egal war, ob ich die Frauen noch mal wiedersehe, war es mir auch in den betroffenen Nächten egal, wie das Geschehen aufgefasst werden könnte, und geredet werden musste sowieso nicht viel. Die Devise war, einfach mal alles zu machen, von dem man sonst nur gehört hatte. Rein technisch betrachtet lernte ich eine Menge in dieser Zeit, sehr vieles davon machte auch großen Spaß. Ich hatte allerdings schon recht bald das Gefühl, dass das Ganze eine gewisse emotionale Armut voraussetzte, es gab mir also auf Dauer nichts. Dennoch, ein paar wichtige und durchaus positive Erkenntnisse nahm ich in meine nächsten Beziehungen mit.
Zum Beispiel, dass zusammen Pornos glotzen fürn Arsch ist. Pornos finde ich ganz generell komisch. Bin ich deswegen jetzt schon wieder verklemmt? Ich bin zugegebenermaßen nicht so der Empiriker auf dem Gebiet, weil ich in meinem Leben aufgrund aufrichtigen Desinteresses erst etwa fünf von den Dingern geguckt habe. Die Typen darin waren komplette Vollhonks, die Frauen ganz eindeutig nicht mein Typ. Zu blond oder zu schwarz gefärbt, zu operiert, mit einem unfassbar schlechtem Unterwäschegeschmack, dazu mindestens genau so stulle wie ihre männlichen Kollegen, mit denen sie sich dann in Wohnungen oder Zimmern vergnügten, die mieser eingerichtet waren als ein Ibis-Hotel anno 1989.
Anzeige
Ich konnte meine Augen kaum von diesen fliederfarben-grau-mauve-gemusterten Sofas vor blassgrün-kackbraun-diagonalgestreiften Vorhängen auf fleckig-blauen Teppichböden lösen. Von den Dialogen beziehungsweise einer Handlung brauchen wir erst gar nicht zu reden. Da half auch die ganze Fick-Action nichts. Wenn dabei überhaupt etwas in Erregung geriet, dann mein Mitleid. Am schlimmsten ist die offenbar wichtigste Szene in einem Porno, der sogenannte Cumshot, also die Einstellung, in der der Mann vorzugsweise ins Gesicht, auf die Brüste oder den Po der Frau ejakuliert.
Da zieht der Kollege also vorher sein Ding raus, damit vor allem er voller Stolz erst auf sein erigiertes Glied glotzen kann, um dann sicherzugehen, dass da auch ordentlich was rausflutscht - was augenscheinlich als eindeutiges Zeichen dafür gewertet wird, dass ohne ihn die Menschheit nicht weiterbestehen würde. Und wenn die Frau hinterher noch alles ableckt, wie ein kleines Kätzchen, dann ist der Penis und damit auch der Mann wieder sauber. Super.
Trotzdem: Die Pornoindustrie gehört zu den wenigen Wachstumsbranchen in diesen wirtschaftlich rauen Zeiten. Obwohl, vielleicht ja gerade deswegen. Vermutlich bin ich einfach nicht die Zielgruppe, weil ich die Technisierung und Entmystifizierung von Sex ganz grundsätzlich ablehne. Immerhin sind die Sex-Magazine im Privatfernsehen deutlich weniger geworden, was man aber wohl weniger darauf schieben kann, dass die breite Masse meine Ablehnung teilt, sondern eher darauf, dass man angesichts des reichlichen Angebots im Internet mit Sendungen wie ´Tutti Frutti´, ´Peep´ oder ´Wa(h)re Liebe´ keinen mehr hinter dem Ofen vorlocken würde.
Sex ist ein Riesenthema, sozusagen der totale Mainstream, vom Spiegel-Titel übers Zeitungsfeuilleton bis rein in sämtliche Lifestyle-, Jugend-, Frauen- und Männermagazine. Langsam fällt es mir schwer zu glauben, dass darüber noch irgendetwas gesagt werden kann, das noch nicht gesagt wurde. Also: Nicht rumquatschen - einfach machen!
Insofern halte ich es weiterhin wie gehabt. Oder, um es mit der von mir sehr geschätzten Band Blumfeld zu sagen: "Lass uns nicht von Sex reden, ich weiß gar nicht, wie das gehen soll."