Anscheinend reicht das noch nicht, denn jetzt kommt der nächste Dreh: Nutzern von Tauschbörsen soll künftig der Internetanschluss dauerhaft gesperrt werden. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, hat die Plattenindustrie
eine Kampagne mit den üblichen Superstars
gestartet. Zweihundert bekannte Künstler behaupten, das Internet und Tauschbörsen würden jungen Künstlern ihre Zukunftschancen rauben. Und fordern, renitenten Fans das Internet wegzunehmen.
In Sonntagsreden wird gern die Internetzensur in China kritisiert. Wer aber einem Nutzer das Netz sperrt, zensiert ebenfalls: Wessen Anschluss gesperrt wurde, ist ausgeschlossen von der modernen Kommunikationswelt und ihren Möglichkeiten, Meinungen zu äussern. Mit solch einer Maßnahme verwehrt man Bürgern ihre Chance auf kulturelle und demokratische Teilhabe, versperrt ihnen den Zugang zu Wissen. Und wofür? Für nicht-kommerzielles Tauschen von Musik? In einer Zeit, in der sich die Superstar-Industrie weiterhin gegen vernünftige, marktbasierte Lösungen wehrt und nicht in der Lage ist, für die große Nachfrage nach Musik im Netz auch passende Angebote zu schaffen?
Die neue Forderung der Rechteindustrie ist Teil einer globalen Kampagne. Mit dem Unterschied, dass ihre Ideen in manchen Staaten (unter anderen den USA) keine Chance haben, Realität zu werden. In Europa aber funktioniert Netzpolitik anders als in den USA. Das bekannteste Beispiel ist die
Vorratsdatenspeicherung
, die in den USA so nicht möglich wäre.
In Frankreich und Grossbritanien wurde die Forderung nach Anschlusssperrungen schon früher auf den Tisch gelegt. Gemeinsam mit der Musikindustrie verkündeten die Regierungen der beiden Staaten, man helfe gern, ein „zivilisiertes Internet“ durchzusetzen. Das Europaparlament hat aber vor kurzem das Gegenteil beschlossen: Es forderte die Regierungen auf, von solch absurden Ideen Abstand zu nehmen.
In der Geschichte des Urheberrechtes gab es immer eine Balance zwischen den Interessen der Allgemeinheit, der Künstler und der Verwerter. Verbreiteten sich neue Technologien, wurde diese Balance immer wieder neu verhandelt. Das Radio wurde legalisiert, Fotokopierer setzten sich durch. Immer wieder versuchten die Rechteinhaber, Technologien zu verteufeln, wie sie es zurzeit mit den Tauschbörsen tun – dem Radio des 21. Jahrhunderts. Durchgekommen sind sie damit nie. Sonst hätten wir auf den kulturellen Gewinn verzichten müssen, den uns Videorekorder und Mixtapes beschert haben. In den vergangenen zehn Jahren aber wurden immer wieder einseitig die Rechte der Allgemeinheit abgebaut.
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In Deutschland gilt das schärsfte Urheberrecht der Welt. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat vor kurzem ein
Buch
zu diesem Thema herausgebracht. Gut vierhundert Seiten sind nötig, um den Lesern einen Überblick zu verschaffen über die wichtigsten Problemfelder des Urheberrechts. Vielleicht sollte die Musikindustrie dieses Buch allen Haushalten zuschicken - teurer als andere Kampagnen dürfte das auch nicht werden.