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Very German

Kleine Wunder

Früher war ich als Deutsche in Polen eine kleine Sensation. Heute bin ich in erster Linie nützlich.

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Skąd jesteś? Jestem z Niemiec. A masz jakich pochodzenie polskie? Nie. Ale świetnie mówisz po polsku. Dzięki. A powiedz mi, dlaczego akurat Polskę wybrałaś?

Woher kommst du? Ich bin aus Deutschland. Hast du irgendwelche polnischen Vorfahren? Nein. Aber du sprichst echt super Polnisch. Danke. Aber jetzt erzähl mal, warum bist du denn gerade in Polen gelandet?

In der Disco, an der Uni, auf der Kanutour in Masuren, in der Tatra: Das typische Einstiegsgespräch zwischen mir und neuen polnischen Bekannten verläuft zu neunundneunzig Prozent genau so. Es ist eine seltsame Mischung aus Unglauben, Neugier und herzlichem Entgegenkommens, manchmal schon fast Schmeichelei, die mir dann immer wieder aufs Neue entgegenschlägt. Eine Deutsche, hier bei uns in Polen, die auch noch Polnisch spricht? Gibt es so was?

Nach dem Abitur absolvierte ich in Polen einen Freiwilligendienst und lebte und arbeitete auf dem Land in einem 200-Seelendorf. Damals fühlte ich mich noch mehr in der Rolle der Exotin. Heute, in der Großstadt Poznań mit ihren 350.000 Einwohnern ist eine Deutsche zwar immer noch eine Besonderheit, aber längst nicht mehr so ungewöhnlich wie im Sommer des EU-Beitritts auf dem Dorf. Damals geschahen täglich kleine Wunder: Sławek, mein Nachbar, hatte herausgefunden, dass ich Vegetarierin bin, und brachte mir frische Möhren aus seinem Garten. Bartek, mit seinen rund 45 Jahren der jüngste der Feuerwehrleute des Dorfes, ließ seinen Charme spielen, um mein Herz zu erobern.

Ein Juni-Sonntag bleibt mir besonders gut in Erinnerung: Als ich mich auf der Bank vor dem Guthof, auf dem ich arbeitete, sonnte, setzte sich ein junger Mann neben mich und begann eine Unterhaltung. Auf Deutsch. Er habe von seinem guten Freund, der meinem Dorf stammte, erfahren, dass eine Deutsche hier wohne. Er selbst war mehrere Stunden angereist, um seinen Freund zu besuchen, mich, die deutsche Attraktion zu begutachten und dabei sein Deutsch anzuwenden. Zunächst freute ich mich darüber. Aber bald begann der junge Pole von Gott und der Welt zu reden, irgendwann nur noch von Gott, oder besser: von Jehova. Und dem Fegefeuer. Von Gut und Böse. Nach vielleicht zwei Stunden beendete ich das Gespräch mit großem Geschick. Da saß ich nun in einem Kaff im Zentrum Polens und war von einem Missionar der Zeugen Jehovas aufgespürt worden. Vielleicht hatte er sich von einer Deutschen größeres Verständnis erhofft. Es ist schwer, die Polen von ihrem Glauben abzubringen.

Heute sind die Wunder seltener geworden. Inzwischen ist es für viele einfach praktisch, einen Deutschen oder eine Deutsche zu kennen. Ich bin nützlich und werde gebraucht. Menschen, mit denen ich einst die Einstiegsfloskel gewechselt habe, erinnern sich irgendwann wieder an mich. Wenn beim Kumpel ihres Vaters in der Firma eine deutsche Übersetzerin fehlt, wenn die kleine Schwester Nachhilfeunterricht in Deutsch braucht, wenn der Bruder der Freundin deutsche Kooperationspartner für deutsch-polnische Rollenspiele sucht. An mir kann man seine Deutschkenntnisse trainieren, bei mir kann man mit Freunden prahlen, die gerade ein Erasmusjahr in Deutschland machen, oder mit Familie in Deutschland. Über mich kann man mit Freunden sprechen und sich wundern.

Mir gefällt es, nützlich zu sein. Und wahrscheinlich würde es mir fehlen, wenn die Leute mich mehr über mich wundern würden. Ich habe mich schnell an die Privilegien gewöhnt, die dazugehören. Ich habe eine interessante Arbeit und an der Uni werde ich sogar von der Verwaltung höflich behandelt.

Manchmal wünsche ich mir trotzdem, weniger Deutsche und mehr ich sein zu dürfen. Und dass meine Gesprächspartner das Gespräch mit mir mehr als Kür denn als Pflicht wahrnehmen. Unsere gemeinsame Vergangenheit spielt für die junge Generation im Kontakt mit mir gar keine Rolle. Das rechne ich den Polen sehr hoch an.

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Der zweite Weltkrieg liegt jetzt schon eine Weile zurück. Und seit 9/11 haben die Araber uns den Rang als Welt-Ober-Bösewichte wieder abgelaufen. Trotzdem machen wir als Deutsche im Ausland immer noch interessante Erfahrungen. Hier geht es zur Übersicht.


 
 



 

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