Ich, die Leser, Tucholsky und die Arroganz. Was tun mit Leuten, denen meine Texte nicht gefallen?
Die Kolumne von Selim Özdogan
Man will ja nicht undankbar erscheinen, aber hin und wieder muss ich an dieses Zitat von Tucholsky denken: Ein Leser hat's gut: Er kann sich seine Schriftsteller aussuchen.
Hin und wieder gerate ich an Menschen, bei denen mir lieber wäre, sie würden sich anderen Autoren zuwenden. Aber dann wiederum sind Bücher öffentlich und jemand, der über seine Leserschaft jammert, sollte er sich vielleicht überlegen, ob er nicht im falschen Beruf feststeckt. Oder wie Marcus Wiebusch von Kettcar mal sagte: Du kannst tun, was du willst, ab 400 Leuten pro Konzert hast du immer auch die Idioten mit dabei.
Ich würde die Zahl ja niedriger ansetzen.
Und nicht weiter darüber nachdenken, einfach weitermachen, nicht klagen und jammern und sich an den schönen Dingen freuen, die Schreiben mit sich bringt.
Doch manchmal wird man gezwungen.
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Ich bekam diese Mail, wo mir jemand vorschlug, ich solle mir doch überlegen, ob ich nicht doch mal mein Studium zu Ende bringen soll, sei es als Fernstudium, sei es nur, damit es in meiner Biographie besser aussieht.
Ich bin nun 37, hatte noch nie eine Festanstellung und auch sonst keinen einzigen Job, der sich in einem Lebenslauf gut machen würde. Und wie Chakuza sagt: Ich muß niemand was beweisen, nur essen, schlafen und irgendwann mal scheißen.
Auch ich habe manchmal Existenzängste, aber ich glaube nicht, dass ein Diplom daran etwas ändern würde.
Ich schrieb der Dame zurück, ich fände ihren Vorschlag vermessen und arrogant.
Und sie schrieb mir zurück, überhaupt nicht verärgert, soweit ich das aus ihrem Ton schließen konnte: Wenn Sie mich kennen würden, wüssten Sie dass das Wort Arroganz nicht auf mich angewendet werden kann.