Kolumne
Diese Welt ist nur zum Anfassen
Passen die Schuhe, vergisst man die Füße
Von Selim Özdogan
Wir sitzen in einem alten Taxi auf ausgeleierten Sitzen und schweigen. Aus
den Boxen, die wahrscheinlich das neueste an diesem Taxi sind, dringen
Korangesänge, die der Fahrer etwas leiser gestellt hat, nachdem wir
eingestiegen sind. Wohin man sieht, nur Autos mit arabischen Kennzeichen,
aber keine Bürgersteige und keine Fußgänger auf dieser Überbrückungsstraße,
die mal gebaut wurde, um den Verkehr zu entlasten. Draußen mischt sich der
Smog mit dem ersten zarten Dunkel der Dämmerung. Wie die letzten Tropfen
Honig, die nicht vom Löffel wollen, schleppt sich der Verkehr dahin und wir
mittendrin, man könnte sich gefangen fühlen oder verbunden mit all den
anderen. Man könnte es romantisch finden, schrecklich, beruhigend,
entspannend, zermürbend. Ich könnte vielleicht Worte dafür finden, wenn es
mir real vorkäme. Doch es ist so unwirklich sich durch diesen Verkehr zu
bewegen, den man hinzunehmen hat, wie eine Naturgewalt, während die Konturen
langsam verschwimmen und die Sicht reduziert wird auf Rücklichter und buntes
Blech. Endlos viel davon, man kann das Ende der Überbrückungsstraße nicht
sehen. Und ein Navigationssystem könnte uns wahrscheinlich auch nicht
erfassen, weil irgend etwas gerade nicht existent ist. Wir oder die Welt da
draußen, oder beides. Doch ich glaube, es ist die Welt. Sie ist eine
Kulisse, so absurd, daß sie sich jemand ausgedacht haben muß. Das ist sie
wahrscheinlich immer, aber oft genug lasse ich mich gefangen nehmen vom
Bühnenbild und es fällt mir nicht auf.