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Wenn der Winter kommt
Kinderbücher sind eine rosa Wolke. In Astrid Lindgrens Ronja Räubertocher dagegen wird geliebt und gestorben. Mein erstes Buch über das Leben.
Von Katharina Litschauer
Wahrscheinlich war ich mit acht Jahren noch zu jung für Ronja. Die meisten Geschichten von
Astrid Lindgren
waren mir schon vertraut, und ich liebte sie sehr:
Pippi Langstrumpf
s Abenteuer kannte ich nahezu auswendig,
Die Kinder von Bullerbü
waren für meinen allerersten Berufswunsch (Bäuerin) verantwortlich und
Madita
ist bis heute eines meiner Lieblingsbücher.
Als 1984 der Film zum Buch Ronja Räubertochter in die Kinos kam, wollte ich ihn unbedingt sehen, doch meine Eltern bestanden darauf, dass ich zuerst das Buch lesen solle. Ich würde das sonst nicht verstehen, hieß es, das würde mich überfordern. Ich war ein bisschen nervös, als ich das hörte. Was würde die Geschichte mit mir machen, wenn meine Eltern sich sorgten, dass ich damit nicht umgehen könnte?
Es musste sich um etwas Großes handeln, soviel war mir klar, und ich begann mit klopfendem Herzen zu lesen. Bis zum geplanten Kinobesuch blieben nur wenige Tage Zeit, und so verschwand ich bis spät nachts in der Welt von Ronja, in den mittelalterlichen Wäldern Skandinaviens.
Ronja ist die Tochter des Räuberhäuptlings Mattis. Auf ihren Streifzügen durch die Natur lernt sie Birk Borkasohn kennen, den Sohn von Borka – Mattis’ Erzfeind. Das Schicksal will, dass Ronja und Birk sich das Leben retten, und Freunde werden.
Als Mattis Birk als Geisel nimmt, um Borka loszuwerden, begibt sich Ronja freiwillig in die Hände der gegnerischen Räuberbande. Sie möchte ihren Freund vor dem Kerker bewahren. Borka und Mattis sehen die Sinnlosigkeit der gegenseitigen Geiselnahme und geben die Kinder wieder aus der Gefangenschaft frei. Die Fehde der Räuberhäuptlinge wird unerträglich. Ronja und Birk ertragen den Zwist ihrer Väter nicht mehr länger und ziehen in eine Höhle im Wald. Sie sind ineinander verliebt, aber Birk weiß auch: Wenn der Winter kommt, wird Ronja zu ihrem Vater zurückkehren, um nicht im Wald zu erfrieren.
Heute kann ich verstehen, warum meine Eltern mir das Buch nicht früher gegeben haben. Dass große Themen in Kinderbüchern vorkommen, war mir nicht neu, doch selten geht es so ungeschminkt um das Leben wie in Ronja Räubertochter: Liebe, Tod, Verrat, Existenzangst, Moral, Versuchung, Gewalt. Das Buch eröffnete mir den Blick auf eine Welt, die es in meinem behüteten Kinderleben bisher nicht gegeben hatte. Astrid Lindgren schrieb das Buch im Alter von 74 Jahren, als alte Frau, die auf ein bewegtes Leben zurückblickte. Und da kam ich mit meiner kindlichen Unschuld und konnte das alles ersteinmal nicht begreifen.
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