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Quentin Tarantino

Das Aspirin-Gespräch

Für manche Interviews braucht man gute Nerven. Markus Kavka hatte sie: Er sprach mit Quentin Tarantino über die drei wichtigsten Dinge der Welt.

Wer ist denn der knuffige Klops im schwarzen Jogginganzug und dem Wu-Tang-Shirt? Lustig, wie der Oberkörper beim Gehen hin- und herwackelt. Interessantes Profil auch, das halbe Gesicht besteht aus Kinn, selbst ein Jay Leno wäre neidisch.

Jetzt dreht er sich zu mir. "Hi, I´m Quentin!" Er sieht, nun ja, anders aus als in seinen Filmrollen, aber man kommt gar nicht dazu, sich diesbezüglich all zu viele Gedanken zu machen, denn sofort fixieren eine diese mit kindlicher Begeisterung erfüllten Augen, trifft einen dieser maschinengewehrartige Wortschwall, nimmt einen diese Lache ein.

Quentin Tarantino ist im Haus. Er ist ungewöhnlich früh aufgestanden, um 7 Uhr, um ab 10 Uhr bei MTV drei Interviews zu geben. "Death Proof" , sein neuer Film ist angelaufen, und Mr. Tarantino hat eine Menge darüber zu erzählen. Als erster bin ich dran, mit einem für 35 Minuten angesetzten Gespräch für MTV Rockzone. Quentin begrüßt jeden einzelnen aus der in Ehrfurcht erstarrenden Studiocrew per Handschlag. Er veranlasst noch kurz, dass der Kontrollmonitor von ihm weggedreht wird, weil er sich sonst "die ganze Zeit eitel anglotzen" würde.

Die 35 Minuten sind schnell um, zu schnell. Ich habe in dieser Zeit gerade mal sieben Fragen gestellt, und wir sind erst knapp mit der Hälfte der Sendung durch. Unfassbar, was der Mann für einen Output hat. Noch nie bin ich mit einer derartig hohen Silbenzahl pro Minute bombardiert worden. Tarantino redet sich in einen Rausch, er umklammert sein Mikro mit beiden Händen, brüllt rein, kichert unablässig, klingt dabei original wie Beavis aus " Beavis & Butthead" und stellt unvermittelt Gegenfragen. Er verlängert die Interviewzeit selbstständig um 30 Minuten, die Begleitdamen vom Filmverleih stöhnen.

So scheint das fast immer zu sein. Nach mir ist der Kollege von MTV Masters dran, aus seinen 20 Minuten werden 45. Kein Wunder, denn Quentin hatte sich vorbereitet. Das Thema ist ´Magic Movie Moments´, er wollte deswegen die Fragen am Tag vorher haben - nicht, weil er einzelne davon doof finden könnte, sondern um sich "ein paar Notizen" zu machen. Er zog 20 vollgeschriebene Blätter aus der Tasche, es konnte losgehen.

Seine Entourage wird langsam unruhig, die nächsten Termine rufen. "Mir egal, ich hab´ hier grad Spaß!", plärrt er ihnen nach einem zarten "Wir-müssen-langsam" entgegen. Auch der nachfolgende Newsredakteur bekommt statt 10 nun 25 Minuten und schafft es, in dieser Zeit drei Fragen zu stellen. Ich fühlte mich nach dem Interview wie von einem Panzer überfahren, mein Zustand schwankte zwischen Überforderung und Euphorie, ich brauchte erst mal zwei Aspirin. Kurz darauf stand der Masters-Redakteur bei mir am Tisch. "Haste mal zwei Aspirin?" Ein paar Minuten später kommt der News-Mann. "Markus, hast du Kopfschmerztabletten?"

Quentin war fertig mit uns, fröhlich pfeifend schickte er sich an, es ein paar weiteren Journalisten zu besorgen. Am Abend turnte er dann kein Stück weniger energetisch bei einer Vorführung von "Death Proof " in einem Kino vor und nach dem Film auf der Bühne herum und redete alles in Grund und Boden, ebenso auf der Aftershowparty. Die letzte Sichtung Quentin Tarantinos hatte man schließlich um fünf Uhr morgens, als er fröhlich johlend mit einem Motorboot auf der Spree rumheizte.

Hier nun das komplette Interview. Es ist lediglich um die Passagen gekürzt, in denen wir über die Musikvideos sprachen, die in der Sendung liefen.

Ich habe fünf Stunden gebraucht, um es abzutippen. Hat jetzt mal jemand acht Aspirin für mich?

Ausgehend von deinem neuen Film müssen wir unter anderem über drei der wichtigsten Dinge im Leben sprechen - Frauen, Autos und Musik.

Da würde ich dir zustimmen. Das sind die interessantesten Dinge im Leben. Wobei…

Gut, Sex fehlt noch.

Richtig. Aber das ist unmittelbar in "Frauen" enthalten.

Eigentlich auch in "Autos".

Da hast du Recht, definitiv auch in "Autos".

Zunächst mal zu "Death Proof". Würdest du sagen, dass dieser Film dein persönlichster, dein autobiographischter ist?

Er ist sehr persönlich, allerdings nicht so persönlich wie " Kill Bil" . Abgesehen davon ist jeder meiner Filme persönlich. Sie kommen alle aus meinem Inneren. Obwohl ich diesen Umstand gerne unter einem bestimmten Genre vergrabe, bekommt man doch einen guten Eindruck, wer ich bin und was mir in meinem Leben so passiert ist. Was mich an " Death Proof " am meisten faszinierte, war die Tatsache, dass ich über acht verschiedene weibliche Charaktere schreiben konnte, die eben nichts mit mir zu tun haben, sondern sie selbst sind. Ich bin ein Autor, der in die Charaktere eintaucht, also wurde ich zu diesen Mädchen. Das ist es, wozu ein Autor fähig sein sollte, nämlich nicht immer über sich zu schreiben, sondern sich in die Persönlichkeit anderer zu versetzen. Ich versuche dann, ein anderer Mensch zu werden. Weg von mir selbst, hin zu den handelnden Personen.

Zu den Frauen kommen wir später noch, vielleicht sollten wir zuerst über die ursprünglich geplante Struktur des Films sprechen. "Death Proof" und "Planet Terror" von Robert Rodriguez kommen hier getrennt voneinander ins Kino, in Amerika liefen beide Filme unter dem Label "Grindhouse" als Doublefeature. Das Publikum wusste diese Form der Präsentation nicht wirklich zu schätzen.

Na ja, die wenigen Leute, die zu den Vorstellungen kamen, wussten es schon zu schätzen. Aber stimmt schon, die meisten haben diese Double-Feature-Idee nicht verstanden. Allerdings war es auch nicht geplant, das Grindhouse-Ding weltweit durchzuziehen. Es gibt eigentlich nur drei Länder auf der Erde, die einen Bezug zu Grindhouse haben, nämlich Amerika, England und Japan. In Deutschland zum Beispiel wäre es sinnlos, beide Filme am Stück zu zeigen. Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Einzelversion von " Death Proof " 25 Minuten länger als jene im Double-Feature und damit wesentlich näher an dem ist, was ich mit dem Film eigentlich aussagen wollte. Diese Version kommt direkt aus meinem Herzen.

Du hast dich in deiner Jugend viel in solchen Grindhouses rumgetrieben. Das waren ja sehr spezielle, manchmal nicht ganz ungefährliche Orte.

Einige von ihnen waren tatsächlich nicht ungefährlich, was gleichzeitig aber ihren besonderen Reiz ausmachte. Wenn man dort hin ging, wollte man die Gefahr zusammen mit der Eintrittskarte bekommen. Man vermied es, aufs Klo zu gehen und achtete darauf, sein Zeug immer nah bei sich zu haben. Man sah davon ab, all zu kumpelhaft mit den anderen Leuten im Publikum umzugehen. Ich persönlich trieb mich meistens in den Grindhouses der schwarzen oder mexikanischen Viertel von Los Angeles herum und geriet dort nie in eine wirklich gefährliche Situation.

Tatsächlich war es in den Vorstadtkinos weißer Viertel wesentlich ungemütlicher für mich, weil ich es hasse, wenn Leute im Kino quatschen. Ich sagte früher - heute nicht mehr, denn dafür bin ich mittlerweile zu alt - erst mal freundlich "Halt die Fresse!", und wenn das nicht fruchtete, gab´s ganz schnell ein paar Schläge auf die selbige. Ich weiß gar nicht, wie oft ich draußen auf dem Parkplatz deswegen in Schlägereien geriet. In den Grindhouse-Kinos war es dagegen so, dass man ausdrücklich erwartete, dass während des Films gelabert wird. Man suchte sich die Filme danach aus, dass es nichts ausmacht, beziehungsweise der Streifen dadurch vielleicht sogar noch an Qualität gewinnt.

An welchem Punkt kam eigentlich Kurt Russell als "Stuntman Mike" ins Spiel?

Robert Rodriguez hat " Planet Terror " vor meinem Film gedreht. Er war schon fertig, als ich noch in einer sehr frühen Produktionsphase war. Ich hatte die Rollen der Mädchen schon besetzt, aber ich hatte noch keinen "Stuntman Mike" . Ich schrieb endlos lange Namenslisten, allerdings drängte sich niemand so richtig auf. Der Wendepunkt kam, als Robert meinte, er wolle für seinen Film so eine Art John-Carpenter-Stimmung kreieren.

Am Set liefen deswegen die ganze Zeit die Soundtracks von " Die Klapperschlange " und " Das Ding aus einer anderen Welt ". "Planet Terror " sollte der Film werden, den Carpenter zwischen den genannten Werken hätte machen können. Irgendwann sagte ich mal: "Wart mal! Was ist eigentlich mit Kurt Russell?!" Er war sofort dabei. Ich finde, er hat einen fantastischen Job gemacht, er ist total mit seiner Rolle verwachsen.

Offenbar auch mit seinen beiden Karren. Autos spielen in "Death Proof" überhaupt eine große Rolle. Ich denke, dass die Muscle-Car-Modelle aus den späten 60ern und frühen 70ern bewusst gewählt sind.

Das sind sie. Mike fährt zuerst einen 69er Chevy Nova, später dann einen 70er Dodge Charger. Die Mädchen in der zweiten Hälfte haben einer 70er Dodge Challenger. Am Ende gibt es diese Schlacht zwischen den beiden besten Dodge-Modellen der Muscle-Car-Ära. Der weiße Dodge Challenger der Mädchen ist auch einer der Stars aus einem der besten Autoverfolgungsfilme aus eben dieser Zeit, nämlich " Vanishing Point ", und genau aus diesem Grund wollen in zwei der Mädchen auch unbedingt haben. Ein Typ in ihrem Nest verkauft einen, und sie arrangieren eine Probefahrt, um einmal Kowalskis Auto zu steuern.

Es fühlt sich also fast so an, als würde damit Kowalkis Karre in meinem Film eine Gastrolle spielen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass wenn man Barry Newman als Kowalski in " Vanishing Point " so sieht, man nie an was anderes als an diesen harten Typen und seine derbe Karre denkt. Männlicher geht´s nicht. Im Schneideraum stellte ich bei der Verfolgungsjagd allerdings fest, dass dieses Auto mit einem Mädchen am Steuer zunehmend feminine Züge bekam.

Die Szene, die du ansprichst, in der Mike mit seinem Dodge den der Mädchen von hinten rammt, wirkt so, als hätten zwei Autos miteinander Sex.

Hm, ich würde es eher als eine Art Boxkampf bezeichnen.

Na ja, ich finde schon, dass es da ein wenig anal zugeht.

Oho! Hm, jetzt wo du´s sagst... Ja, du hast zu 100 Prozent recht. In der Verfolgungsjagd am Ende gibt es definitiv Elemente einer Knastvergewaltigung. Alle Karren sind am Schluss komplette Wracks.

Gut, dass diesmal keine von ihnen aus deinem Privatbesitz war, im Gegensatz zu dem roten 64er Chevy Malibu in "Pulp Fiction".

Korrekt, der gehörte mir. Eigentlich ist es gar nicht mein Ding, solche Autoklassiker wie die in meinen Filmen auch zu besitzen. Aus irgendeinem Grund habe ich damals aber dennoch diesen zugegebenermaßen sehr schönen Chevy gekauft, obwohl ich ihn gar nicht wollte. Um ehrlich zu sein: Mir ging der Schlitten sehr schnell total auf den Sack. Also hab ich mir gedacht, dass ich ihn fü r "Pulp Fiction" verwende und ihn dabei schrotte, um ihn endlich loszuwerden. Aber irgendwie überlebte er den Dreh. Ich versuchte schließlich, ihn an jemanden aus der Crew zu verkaufen, aber niemand wollte das Ding, weil keiner sich vorstellen konnte, dass ich so ein schönes Auto nicht selbst behalten wollte, so nach dem Motto "Da ist doch bestimmt ´ne Macke dran!". Vor ein paar Jahren konnte ich diesen Pickel am Arsch endlich abstoßen.

Was fährst du jetzt?

Bis vor anderthalb Jahren fuhr ich ein und denselben Volvo. Er war runtergerockt, er war verbeult, aber ich fuhr dieses Stück Scheiße gerne. Er war unverwüstlich, du fühltest dich sicher damit, dir war alles egal. Es ist generell prima, ein Auto zu fahren, das einem total am Arsch vorbei geht. Ich schramme im Parkhaus an ´ner Säule entlang, na und?! Ich ramme beim Zurücksetzen einen Poller? Darauf geschissen! Wenn die Karre jemand klaut? Mir doch egal, herzlichen Glückwunsch auch, jedes andere Auto auf der Straße wäre eine bessere Wahl gewesen, du Deppdieb! Jeder andere Fahrzeugbesitzer hat mehr zu verlieren als ich. 2006 hab ich ihn verschrottet, seitdem macht es mir auch wieder Spaß, besondere Autos zu haben. Mir gehört jetzt zum Beispiel der " Pussy Wagon" aus Kill Bill.

Echt? Dezent.

Na klar, Mann, ich lasse doch nicht extra so ein Ding anfertigen, um es dann abzugeben. Ich stehe vielleicht nicht so auf Autos, aber ich stehe unheimlich darauf, die Memorabilia aus meinen eigenen Filmen zu horten. Ich sammle den Scheiß für mein eigenes kleines Museum, das ich irgendwann mal eröffnen werde, vermutlich direkt neben dem Roy Rogers Museum in Branson, Missouri. Gut, jedenfalls habe ich jetzt den "Pussy Wagon", auch wenn ich ihn nicht dazu benutze, den Sunset Strip auf- und abzufahren und dabei bekloppt rauszuwinken. Aber es macht schon Spaß, wenn man mit ein paar Freunden, darunter auch gerne ein paar Mädchen, Samstagnacht ausgeht, es so langsam Sonntagmorgen wird und die ganze Truppe dann im "Pussy Wagon" vorfährt, um frühstücken zu gehen.

Zurück zum Film. Es gibt bei den Autoverfolgungsjagden keine einzige computergenerierte Szene, richtig?

Keine einzige. Ich bin ohnehin kein Fan davon, auch wenn ich einsehe, dass es bei manchen Produktionen etwas bringt. Aber von allem übermäßigen Gebrauch, den man in den letzten Jahren von Computeranimation machte, finde ich jenen bei Autoverfolgungsjagden und Autounfällen am wenigsten tolerierbar. Ich bin in den 70ern mit Autoverfolgungsjagd- und Crashfilmen aufgewachsen. Computeranimation macht bei diesem Genre überhaupt keinen Sinn, vor allem, weil man über 20 Jahre lang Leute hatte, die das eisenhart in echt durchgezogen haben.

Das splitternde Glas und verbeulte Blech waren Tatsachen. In diesen Autos saßen Menschen, die ihr Leben riskierten, und genau der Umstand machte doch den Thrill dieser Szenen aus. Wenn so etwas jetzt am Computer gebastelt wird, verstehe ich das nicht, es lässt mich total kalt. In den letzten zehn Jahren hat mich keine einzige Autoverfolgungsjagd beeindruckt.

Für meine stellte ich selbst gewisse Regeln auf. Erstens: Dadurch, dass ich Zoe Bell, die ja eigentlich Stuntfrau ist, als Darstellerin hatte, war gleichzeitig gewährleistet, dass sie alle ihre Stunts selbst macht, ohne Computer, ohne Double. Zweitens: Computeranimation kam überhaupt nicht in Frage. Wenn eine Szene real nicht machbar war, wurde sie eben gestrichen. Drittens: Es sollte auch keine Tricks hinsichtlich der Filmgeschwindigkeit geben, so von wegen langsam fahren und das Ganze im Schnitt schneller machen. Wir fuhren in allen Szenen original zwischen 100 und 160 km/h.

Sind dir die Stuntleute in Hollywood dankbar, dass du ihren Berufsstand rettest?

Ich sag mal so: Die wissen das alles sehr zu schätzen. Zum einen, weil sie merken, dass ich ein großer Verehrer ihres Talents, ihrer Kunst und ihres Mutes bin, zum anderen, weil sie mich als Typen kennen, der keine Lust auf Computerkram hat. Ich hatte beispielsweise für " Kill Bill " eine Verfolgungsszene vorgesehen, von der ich zwar wusste, wie sie am Ende aussehen soll, jedoch nicht, wie das Ganze umgesetzt werden kann. Die Stuntleute wussten es auch nicht. Es gab also nur die Möglichkeit, es einfach zu versuchen, um sich so langsam zum gewünschten Ergebnis vorzuarbeiten. Und glaub mir, es erfordert einigen Mut, Stunts auf Verdacht zu machen, ohne genau zu wissen, ob und wie es funktioniert.

Du hast Zoe Bell bereits erwähnt. Sie gehört zu einer der beiden Mädchencliquen. Mädchen, die sich viel und gerne unterhalten. Dabei klingen sie sehr authentisch. Woher weißt du so genau, wie Mädchen untereinander reden?

Das ist mein Job. Ich bin doch schließlich auch der weiße Typ, der die Erinnerungen einer Geisha niedergeschrieben habe. Es gehört zu meinen wichtigsten Aufgaben, Menschen zu erforschen. Oder, um´s kurz zu machen: Ich bin ein guter Autor. In diesem Fall kommt noch dazu, dass ich viele weibliche Freunde habe. Ich hänge regelmäßig mit verschiedenen Mädchencliquen ab, höre ihnen so beim Reden zu und bringe das dann zu Papier. Als Autor brauchst du vor allem ein gutes Gedächtnis. Das habe ich. Manchmal liegen Sachen jahrelang unbenutzt in meinem Gehirn herum. Irgendwann kommt dann der Tag, an dem ich sie gebrauchen kann und wieder raushole.

War es immer schon so, dass du mehr mit Frauen als mit Typen befreundet warst?

Eigentlich nicht. Das trifft nur für die letzten drei Jahre zu. Wobei es sich so verhält, dass wenn ich mit Frauen abhänge, ich immer gleich mit einer Gruppe von Frauen unterwegs bin, während meine Männerfreundschaften eher so ein 1:1-Ding sind, also ich und der andere Typ und keine komplette Bowling- oder Sauftruppe.

Du selbst spielst im Film einen Barmann, der für die Frauen ein eher ein Kumpeltyp ist und von ihnen nicht als sexuell attraktiv empfunden wird.

Moment, sprichst du jetzt von dir oder mir!? Nein, Quatsch... Tatsächlich ist mein Charakter verheiratet mit der Kellnerin des Ladens, ich kann also die Mädchen nicht angraben. Außerdem: Wer sagt denn, dass sie mich nicht sexuell attraktiv finden? Es gibt zwar keine Szene im Film, in der sie auf mich masturbieren, was aber nicht bedeutet, dass sie es nicht doch tun. Und weißt du was: Sie masturbieren auf mich! Ich bin der verdammte Autor und ich sage dir, sie masturbieren auf mich! Ich habe mich lediglich dazu entschlossen, das nicht zu zeigen.

Die Typen im Film scheinen den Frauen nicht gewachsen. Außer Mike, zumindest auf seine Art.

Richtig. Eigentlich kommentiert der Film auch nicht unwesentlich das Rollenverhalten von Typen heutzutage. Die Frauen sind um so viel stärker als sie. Ich wollte damit die zunehmende Feminisierung junger Männer aufzeigen, zumindest derer in Amerika.

Ist die Tatsache, dass du Frauen in diesem Film so viel Stärke einräumst, auch ein wenig als Entschuldigung für deine eigenen dreckigen Männerfantasien zu verstehen?

Wenn man einen Grindhouse- oder einen Exploitation-Film macht, bringt es nichts, wenn der Regisseur ein Gentleman ist. Du brauchst jemand, der geil ist. Du willst einen Typen, der Frauen sexy findet und du willst wissen, was er an ihnen sexy findet. Es ist Standard in Exploitation-Filmen, dass die Weiber sich ausziehen und willig sind. Das ist Teil des Produktes, das du verkaufst.

In meinem speziellen Fall präsentiere ich ihre Ärsche, ihre Beine und stecke sie in enge T-Shirts, die ich übrigens selbst ausgesucht habe. Die Mädchen sind echte Granaten, sie sind selbstbewusst und spielen mit den Weichei-Jungs. Doch dann kommt Stuntman Mike ins Spiel, und der ist ganz anders. So einen Typen haben sie noch nie getroffen. Da sitzen also diese großmäuligen und allmächtigen Schlampen aus der ersten Mädchenclique so selbstgefällig da, und plötzlich stampft dieser Dinosaurier herein. Damit kommen sie nicht klar. Das ist das Interessante hinsichtlich des sexuellen Kontextes in der ersten Hälfte des Films. Die Mädchen in der zweiten Hälfte sind dann natürlich aus anderem Holz geschnitzt.

Du hast eben Ärsche und Beine erwähnt. Hast du die Füße absichtlich weggelassen? Die erste Einstellung im Film sind nackte Mädchenfüße. Dazu weiß seit "Pulp Fiction" und "Kill Bill" alle Welt, wie Uma Thurmans blanke Füße aussehen, ganz zu schweigen von denen Bridget Fondas in "Jackie Brown".

Ich mag Mädchenfüße. Sehr sogar. Ich würde mich allerdings nicht als Fußfetischisten bezeichnen. Männer stehen normalerweise auf Titten, ich bin nicht so der Titten-Typ. Aber guck dir zum Beispiel Filme von Sofia Coppola an, da hast du auch ständig Füße. Zwei nackte Füße, dahinter eine Steadycam direkt über dem Boden, das ist aus Regisseurssicht einfach immer eine prima Einstellung. Mache ich gerne, weswegen die Leute langsam sagen, ich hätte da gewiss eine Obsession.

Noch kurz was zu der von dir erwähnten Szene in " Jackie Brown ". Die stand ursprünglich gar nicht im Drehbuch, es ist also nicht so, als hätte ich es darauf angelegt, dass mir beim Abfilmen von Bridget Fondas Füßen einer abgeht - obwohl sie natürlich sehr hübsch sind. Robert de Niro sitzt also da im Sessel, das Whiskeyglas auf der Lehne abgestellt, und Bridget fängt plötzlich von sich aus an, mit ihrem großen Zeh am Glasrand rumzumachen und de Niro zu necken. Auf einmal lag so eine sexuelle Spannung in der Luft und ich meinte zu Bridget: "Weißt du was: Wenn schon, dann machen wir´s richtig geil. Ich hole das scheiß Makro-Objektiv und halte es an den Glasrand. Du stellst dir vor, dass dein Zeh King Kong und das Glas das Empire State Building ist. Los, besteig´ es, du Schlampe!".

Sie hat es offenbar verstanden.

Oh ja, sie hat´s sofort geschnallt! "Ja, Quentin, ich weiß genau, was du willst" - das waren ihre Worte.

Zur Musik. Wie sieht deine Plattensammlung aus?

Ich habe ein Haus gekauft, in dem vorher eine Familie wohnte. Da gibt es ein großes Schlafzimmer mit angrenzendem Babyraum. Da ich kein Baby habe, funktionierte ich ihn zum Plattenraum um. Ich habe ihn wie meinen eigenen Second-Hand-Plattenladen dekoriert. Dafür habe ich auch Plattenständer bauen lassen, in denen man bequem blättern kann, mit Trennern aus Plastik. Ganz vorne stehen die Künstler, die mir am wichtigsten sind, jene, die über allen anderen Kategorien stehen.

Welche sind das?

Es muss erstmal alles Vinyl sein, deshalb ist nichts Neues dabei. Kate Bush steht da, Bob Dylan, Elvis, Johnny Cash, Richard Prior, George Carlon, die Band, über die ich in ´Death Proof´ spreche - Dave, Dee, Dozy, Bicky, Mick and Titch, außerdem die Partridge Family, David Cassidy und die Folksängerin Melanie, von der ich großer Fan bin. Dahinter habe ich alles sortiert. Fächer für 50er, 60er, 70er und 80er und ein kleines für 90er. Und danach ist alles in Genres unterteilt. British Invasion, Psychedelic, Soul, Rap, Country, Rockabilly, Novelty, Comedy, Kinderplatten. Das ist eine große Sektion. Dann habe ich eine andere riesige Abteilung mit Soundtracks. Die ist noch mal in Unterkategorien geteilt, wie Blaxploitation, Biker-Filme und Agentenfilme. Und natürlich Spaghetti-Western.

Wie viele Platten hast du insgesamt?

Puh, keine Ahnung, ich hab sie nie gezählt. Wenn man mal damit anfängt, sie zu zählen, merkt man wahrscheinlich um so mehr, wie durchgeknallt das alles ist. Jedenfalls habe ich mittlerweile so viele Platten, dass ich sie gar nicht mehr alle einsortieren kann, ich schiebe also ständig irgendwelche Stapel von links nach rechts und wieder zurück.

Hast du gar keine CDs?

Doch doch, ich hab schon ein paar, allerdings gibt es keinen richtigen Ort, an dem ich sie aufbewahre. Hier und da steht mal ein kleiner Stapel herum, aber es sind insgesamt höchstens 20 CDs, die ich regelmäßig höre. Ich verliere auch ständig welche. CDs sind für mich ohnehin ein Wegwerfprodukt. Ein paar von ihnen habe ich in zwei Jukeboxes gesteckt. In der einen sind meine privaten Lieblings-CDs, die ich höre, wenn ich allein bin, die andere ist mit HipHop, Soul und Partymusik gefüllt und wird angeschmissen, wenn ich Besuch habe.

Eine andere meiner Jukeboxes, sie heißt Amy, ist auch in " Death Proof " zu sehen. Das ist dieses coole, alte Ding in der Bar, das noch mit Singles arbeitet. In der kompletten ersten Hälfte des Films ist Amy so etwas wie der DJ. Die Songs, die aus ihr kommen, sind allesamt aus meiner privaten 7"-Sammlung und finden sich auch auf dem Soundtrack. Worauf ich in diesem Zusammenhang noch stolz bin, ist, dass alle Singles, die ich habe, keine Nachpressungen, sondern Originale sind. Zwar nicht alles US-Originale, da schummle ich ein bisschen, aber immerhin europäische Original-Pressungen, weil diese einfacher zu finden sind, außerdem gibt es in Europa bessere Plattenläden, vor allem in Stockholm, Amsterdam, London und Berlin.

Wie viel Zeit investierst du in die Zusammenstellung des Soundtracks für deine Filme?

Im Prinzip beschäftige ich mich schon mit dem Soundtrack, während ich das Drehbuch schreibe. Ich versuche erst mal, den Rhythmus des Films zu finden. Das ist der Beat, zu dem der Film tanzen wird. Bei " Pulp Fiction " zum Beispiel war der Beat Surf Musik, die klang, als wäre sie Rock'n'Roll-Spaghetti-Western-Musik. Bei " Jackie Brown " ist es Old-School-Soul. Wenn ich einmal die richtige Nummer für die Eröffnungssequenz gefunden habe, läuft alles von alleine.

Musik ist so wichtig für mich. Wenn ich manchmal etwas müde beim Drehbuchschreiben werde, gehe ich in meinem Plattenraum und höre mir Zeug an, bei dem ich schon entschieden habe, es zu verwenden. Dann stelle ich mir das Publikum vor, wie es die fertig geschnittenen Szenen mit der Musik sieht, wie aufgeregt es ist. Das verschafft mir die richtige Stimmung, um weiterzuarbeiten.

Was das gerade von dir erwähnte müde und genervt sein während des Arbeitens betrifft, hört man da von deinen Darstellern und Mitarbeitern durchaus erfreuliche Dinge. Sie behaupten, dass du nie ein Arschloch bist oder ausrastest, angeblich bist du immer mit Frohsinn bei der Sache.

Sagen sie das nur, weil sie auch in deinem nächsten Film dabei sein wollen? Ich bezweifele, dass ich wirklich so cool bin. Filmen kann sehr stressig sein. Aber trotzdem bin ich dort, um Spaß zu haben. Ich will natürlich meine Arbeit schaffen und meine Visionen umsetzen, aber dabei will ich auch, dass jeder am Set Spaß hat. Ich merke, dass Leute am besten arbeiten, wenn sie eine gute Zeit haben. Aber es kommt durchaus vor, dass mir der ein oder andere Schauspieler mal auf den Sack geht. Da halte ich mich dann zum Wohle eines reibungslosen Drehs zurück und warte, bis das Ganze im Kasten ist. Hin und wieder knöpfe ich mir die Leute dann nachher noch mal vor.

Letzte Frage: Machst du mal irgendwann Pause?

Die hatte ich eigentlich schon, und zwar in der Zeit zwischen " Jackie Brown " und " Kill Bill" , da gönnte ich mir mal ein paar Monate Auszeit. Tatsache ist: Ich schreibe ständig. Derzeit habe ich zwar noch nichts Konkretes, was ich hier jetzt ausbreiten könnte, grundsätzlich ist es aber so, dass meine Arbeit nie ruht. Ich bin bei meinen Filmen sowohl der Drehbuchautor als auch der Regisseur, das gehört für mich auch zusammen. Ich würde niemals das Drehbuch von jemand anderen verfilmen. Jedes meiner Projekte beginnt mit einem leeren Blatt Papier. Von Seite 1 an ist alles mein Ding. Ihr werdet es früh genug merken, wie das nächste aussieht.

Wir sind gespannt. Vielen Dank fürs Gespräch.

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