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Popliteratur

100 Prozent wahre Kolumne

Er wundert sich oft und trinkt viel Bier: Mit einem amerikanischen Jungautor auf Lesereise zu gehen ist spannend und macht Spaß

Ich war in den letzten Wochen auf Lesetour unterwegs – nicht mit meinem Buch natürlich, denn ich habe ja keins geschrieben. Chuck Klosterman hat das, sein Poproman Eine zu 85 % wahre Geschichte ist in diesen Tagen hierzulande erschienen. Er beschreibt darin auf sehr unterhaltsame Art und Weise seine Gedanken und Erlebnisse während eines dreiwöchigen Roadtrips quer durch die USA. Der ursprüngliche Grund für diese Reise war ein Artikel über Orte, an denen Rockstars gestorben sind (also der Fleck, an dem das Flugzeug mit Lynyrd Skynyrd an Bord abstürzte, oder der Schuppen, in dem sich Kurt Cobain den Kopf wegschoss), den Chuck für seinen Arbeitgeber, das Indie-Magazin Spin schreiben sollte.

Im Zuge seiner Odyssee weitete sich das Ganze zu einem Buch aus, weil der Autor viel zu viel erlebte und viel zu viel über Musik und die Frauen in seinem Leben nachdachte, um alles in eine 6-Seiten-Story packen zu können. Nun wurde also vorgelesen aus seinem Buch, Chuck tat dies auf Englisch, ich auf Deutsch, dazwischen plauderten wir ein wenig.

Grundsätzlich offerierte ich die Serviceleistung, die Gesprächsparts zu übersetzen, es sollte sich allerdings herausstellen, dass kein Publikum, außer jenem in Dresden, dies in Anspruch nahm. Zu uncool. Aber klar, schon in der Schule hatte man ja wenig Lust, den Finger zu heben und zuzugeben, dass man was nicht verstanden hatte. Auch recht, macht es mir leichter.

Unsere erste Station war München. Chuck war vorher noch nie in Deutschland gewesen, und worüber er sich als erstes wunderte, waren die außergewöhnlich schicken randlosen Brillen, die es hier gibt. War mir noch nie aufgefallen.

Das Lustspielhaus in München, eigentlich eine Bühne für Kabarett, Comedy und Kleinkunst, war sehr gut besucht, sogar meine Eltern waren aus meinem eine Stunde entfernten Heimatort angereist. Auch wenn ihnen als Klassikfreunden die Thematik des Buches nicht so nahe steht, wollten sie es sich nicht entgehen lassen, wenn der Sohn auf einer Bühne sitzt und vorliest. Schöner wär´s natürlich, wenn der Lauser selbst mal ein Buch schreiben würde. Chuck trank während der anderthalbstündigen Darbietung vier Bier, denn das war es, das ihm als zweites auffiel, nämlich dass deutsches Bier tatsächlich so gut schmeckt wie immer alle sagen.

Tags darauf ging es nach Dresden. Chuck fiel auf: Die Leute sprechen hier nicht ganz so gut englisch wie in München, sind aber sonst sehr, sehr freundlich. Die Lesung fand in einer Buchhandlung statt, die Hütte war voll mit äußerst interessierten Studenten. Die feurige Geschäftsführerin, eine temperamentvolle Sächsin um die 60 mit knallrot gefärbten Haaren und High-Heel-Stiefeln, umgarnte uns liebreizend und ließ uns wissen, dass unsere Performance es in punkto Unterhaltungswert durchaus mit den Auftritten ihrer vorherigen Gäste Gerhard Schröder, Ulrich Wickert und Helmut Kohl aufnehmen konnte. Donnerwetter.

Nächste Station: Köln. Chuck fiel auf: Deutsche Mädchen können viel mehr saufen als amerikanische, und das tollste ist, dass sie dabei noch nicht mal besoffen wirken. Irritiert war unser selbst ja auch sehr trinkfester Ami über die absurde Darreichungsform von Bier in Köln ("Sind das Reagenzgläser?!"). Da gingen dann während des Lesens auch sieben rein - so gesehen waren die Halblitereimer in München schon praktischer.

Weiter ging es nach: Berlin. Chuck fiel auf: Da war mal eine Mauer, von der es unweit des Veranstaltungsortes immer noch Reste zu bestaunen gab. Ich war wegen Heimspielalarm an diesem Abend etwas nervös, weil ich ein Viertel des Publikums persönlich kannte, und gerade vor der Freundin, ihrer Schwester, ihrer besten Freundin, ihrer Mutter, meinen besten Freunden sowie einigen Arbeitskollegen will man sich ja ungern zum Löffel machen. Ging alles gut, schließlich muss ich ja auch nicht die Party schmeißen, sondern unser amerikanischer Autor. Der übrigens nach der Lesung von einem hier lebenden New Yorker ins Berliner Nachtleben entführt wurde, weswegen er am nächsten Tag in Hamburg etwas zerknittert aus der Wäsche guckte. Chuck, der diesmal mit dem Auto angereist war, fiel auf: In Deutschland darf man tatsächlich so schnell fahren, wie man möchte, außerdem fand er es bemerkenswert, dass Sex und Drogen so einfach und günstig zu erwerben sind. Wir lasen im Mandarin Casino auf der Reeperbahn.

Ich muss sagen: Mir gefällt dieser Literatenkram. Wenn ich schon keine Kinder habe, denen ich Geschichten vorlesen kann, dann ist es doch prima, wenn smarte junge Menschen einem an den Lippen kleben, lachen und applaudieren. Keiner kommt und blafft "Ey Alter, spiel doch mal härter und schneller!" oder weist mich darauf hin, dass ich "im Fernsehen aber größer" aussehe, insofern ist das wirklich ein schöner Ausgleich zu meinen anderen Tätigkeiten als DJ und VJ. Ja, ich mag Menschen, die Bücher lesen beziehungsweise sich welche vorlesen lassen.

Ich schreib jetzt auch ein Buch. Nein, am besten gleich zwei. Die kommen dann nächstes Jahr im, sagen wir mal, März und August raus. Da kann ich dann wieder schön auf Lesereise gehen.

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