Pleitegeier
Scham statt Schmerzen
Dank der Wirtschaftskrise geht es Spaniens Schuldeneintreibern blendend. Die Kreativsten von ihnen tragen lieber Zylinder als Schlagringe – und quälen Schuldner statt mit Gewalt durch öffentliche Bloßstellung.
Von Kati Krause
Bei El Cobrador del Frac sind alle sehr nett. Die Vertreterin aus Madrid, die mir telefonisch die Dienste ihrer Firma anbietet, erkundigt sich nach meinem Befinden. Die Mitarbeiter der Zweigstelle in Barcelona lachen und scherzen. Und der kleine Mann in Frack und Zylinder erzählt, wie gern er seine Arbeit doch hat.
Irgendwie passt das nicht zu einer Firma, die seit 20 Jahren professionell Menschen verfolgt und deren Angestellte allesamt aussehen wie die zeitstehlenden grauen Herren aus der Romanverfilmung von "Momo". El Cobrador del Frac heißt wörtlich "Der Schuldeneintreiber im Frack". Die Firma spezialisiert sich darauf, Schuldnern im Verzug Feuer unterm Hintern zu machen. Doch hier werden keine Beine gebrochen. Ihre Methode ist genauso einfach wie effektiv: öffentliche Bloßstellung.
Ein strategisch günstig geparkter Firmenwagen macht die Kunden eines Geschäfts darauf aufmerksam, dass der Inhaber wohl nicht alle seine Zulieferer bezahlt hat. Und wenn das immer noch nicht helfen sollte, dann sitzt dem Schuldner bald ein Mann im Frack und Zylinder auf den Fersen. Und folgt ihm überall hin. Solange, bis er weich wird.
Bei El Cobrador del Frac hat man derzeit allen Grund zu guter Laune. Die Arbeitslosenrate in Spanien hat fast 14 Prozent erreicht, Haushalte sind bis über die Ohren verschuldet und Unternehmen geraten reihenweise in Zahlungsschwierigkeiten. Und weil das Justizsystem in Spanien genauso langsam, wie die Zahlungsmoral schlecht ist, geht es den privaten Schuldeneintreibern – rund einem Dutzend Firmen im Land – ganz wunderbar.
Juan Lorca sitzt hinter seinem schwarzen Schreibtisch zwischen schwarzen Holzwänden, unter Jagdtrophäen auf schwarzem Holz, und zeigt auf einen Stapel Papiere. "Das sind die Anfragen allein von heute. 14 Stück! Und es ist erst 19 Uhr. Bis wir schließen, in zwei Stunden, kommen bestimmt noch vier oder fünf Stück rein. Vor der Wirtschaftskrise, da waren es höchstens vier oder fünf pro Tag."
Juan Lorca ist der Chef der Zweigstelle in Barcelona, und er arbeitet zur Zeit zwölf Stunden täglich. Doch das macht ihm gar nichts aus. "Zeit ist für uns Geld, im wörtlichen Sinne," sagt er und tippt die Tasten seines Handys. Im Januar habe die Firma zum dritten Mal in Folge den monatlichen Umsatzrekord gebrochen, der seit der Unternehmensgründung 1988 bestand. Und Februar sähe noch besser aus. "Seit dem Beginn der Krise Mitte letzten Jahres ist unser Umsatz um 40 Prozent gestiegen." Lorca sieht auf und lächelt freundlich.
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