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Interview

"Es wurde ja auch mal Zeit!"

Anfang des Jahres startete Deutschlands erster türkischsprachiger Seelsorgedienst Ausgerechnet in der bayerischen Provinz. Besonders türkischen Müttern soll geholfen werden. Ein Interview mit dem Seelsorger Yakup Keskin.

Zuender: Herr Keskin, wundern Sie sich nicht auch?

Yakup Keskin: Weshalb?

Zuender: Na, weil ausgerechnet im mittelfränkischen Nürnberg der erste türkischsprachige Seelsorgendienst Deutschlands startet.

Yakup Keskin: Etwas ungewöhnlich ist das schon, das stimmt. Allerdings leben in Nürnberg und Umgebung rund 100.000 Türken. Das sind sehr viele und das war uns Grund genug, um einen türkischsprachigen Krisendienst einzurichten.

Zuender: Doch allein in Berlin leben etwa 200.000 Türken. Und dort gibt es keinen türkischsprachigen Krisendienst – warum?

Yakup Keskin: Ehrlich gesagt, das ist mir auch ein Rätsel. Der Bedarf ist schließlich offensichtlich: Die älteren Generationen und häufig Mütter leiden unter der Sprachbarriere. Sie wissen bei familiären und persönlichen Krisen nicht, an wen sie sich wenden können oder haben Hemmungen nach Hilfe zu fragen.

Zuender: Gab es irgendwelche Widerstände auf ihr Projekt?

Yakup Keskin: Nein, das Projekt wurde sogar gelobt und auch das türkische Konsulat begrüßte unseren Dienst sehr: "Es wurde auch mal Zeit", sagten sie. Bisher haben die türkischen Gemeinden jedoch eher zurückhaltend reagiert. Einige sind noch skeptisch gegenüber telefonischen Seelsorgendiensten. Das ist kulturell begründet: In der türkischen Kultur werden familieninterne Probleme nicht nach außen getragen. Was in der Familie passiert, bleibt in der Familie. Das ist eine Hürde, die vor einem Anruf erst überwunden werden muss.

Zuender: Gibt es eine spezielle Gruppe, an die Sie sich wenden wollen?

Yakup Keskin: Wir haben besonders die Mütter im Blick. Wenn beispielsweise ein Suchtproblem in der Familie besteht, dann stehen die Eltern und insbesondere die Mutter unter Druck. Man glaubt, in traditionellen türkischen Familien spiele der Vater eine große Rolle. Doch die Mutter ist es, an die Probleme zuerst herangetragen werden. Sie muss damit umgehen. Oftmals fehlen den Müttern die notwendigen Informationen um ihren Kindern effektiv weiterhelfen zu können. Durch die Sprachbarriere haben türkischsprachige Mütter einen schwierigeren Zugang zu Hilfsangeboten als deutschsprachige Mütter. Sie brauchen besonders Hilfe.

Zuender: Was gab es für Fälle?

Yakup Keskin: Ganz unterschiedlich: Kürzlich rief eine Mutter an. Ihr 16-jähriger Sohn leidet unter ADS, ist also hyperaktiv und hat aufgehört, seine Medikamente zu nehmen. Er weigert sich, weil er sich durch die Tabletten unwohl und schlechter fühlt. Die Mutter war verzweifelt und rief uns an. Wir haben ihr Tipps gegeben und gebeten, sich gleich am nächsten Tag an das Jugendamt zu wenden.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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