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Feminismus

Das Leben der Anderen

Der junge Feminismus in Deutschland war bislang eher eine Sache der weißen Mittelschicht. An Migrantinnen hat dabei niemand gedacht. Ein Interview mit Sidar Demirdögen vom Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland.

Zuender: Ob "Alpha Mädchen", Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete" oder Debatten im Feuilleton: In Deutschland wird zur Zeit viel von einem "Neuen Feminismus" geredet. Wie erklären Sie sich, dass Migrantinnen in dieser Debatte bisher weitgehend unerwähnt bleiben?

Sidar Demirdögen: Ein großes Problem ist, dass Migrantinnen in der Regel nicht als Frauen wahrgenommen werden. Wenn über sie gesprochen wird, dann nur unter dem Thema "Integration". Ihre Identität als Frau verschwindet sozusagen hinter der Identität als Migrantin. Wenn sie überhaupt mal auftauchen oder zu Wort kommen, dann nur als Opfer – etwa in den Debatten um Zwangsverheiratung oder Ehrenmorde. Als Bestandteil einer gesamtdeutschen Frauenfrage, wenn es zum Beispiel darum geht, mehr Lohn zu fordern oder eine gerechtere Verteilung von Hausarbeit, werden sie nicht gesehen. Schon gar nicht als Mitstreiterinnen im Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit.

Zuender: Die junge Feministinnen in Deutschland fordern unter anderem die gleichen Aufstiegschancen und genauso viel Lohn wie Männer. Sind das auch die Probleme von Migrantinnen?

S.D.: Grundsätzlich ja. Allerdings spielen sich die Probleme auf einer anderen Ebene ab: Da geht es seltener um hoch qualifizierte Frauen, die schon fast alles erreicht haben und eher um gut ausgebildete Frauen, die aus dem Ausland nach Deutschland einheiraten, hier trotz ihrer Qualifikation keine Stelle bekommen und in den Niedriglohnbereich abgeschoben werden. Dieses Problem haben auch deutsche Frauen, aber häufiger betrifft es Migrantinnen.
Frauen arbeiten statistisch gesehen mehr als Männer. Aber wenn man genau hinschaut, sind sie vor allem in Teilzeit- und Niedriglohnbereich beschäftigt – arbeiten also mehr, verdienen aber weniger. Der Anteil an Migrantinnen in diesen Bereichen ist besonders hoch.

Zuender: Mit welchen anderen Formen von Benachteiligung haben Migrantinnen zu kämpfen?

S.D.: Migrantinnen haben auch geringere Chancen auf Bildung. Neue Studien zeigen, dass viele Mädchen aus Einwandererfamilien durchaus ambitioniert sind, sich weiterzubilden. Sie scheitern aber, weil sie zum Beispiel keine Lehrstellen bekommen. Auch das ist wieder ein Problem, das nicht nur migrantische, sondern auch deutsche Mädchen betrifft. Migrantinnen haben aber noch stärker mit bestehenden Vorurteilen zu kämpfen: Wir hören von jungen Frauen, die im Bewerbungsgespräch gefragt werden, ob sie Kinder bekommen wollen. Da herrscht nach wie vor das Bild der türkischen Frau, die zwar mit 17, 18 einen guten schulischen Abschluss macht, aber mit 22 entweder zwangsverheiratet wird oder aus eigener Entscheidung sehr jung Mutter wird.

Es gibt auch Fälle, in denen die Familie eine Rolle bei der Benachteiligung der Mädchen spielt, wo ein Vater sagt: Mehr als Hauptschule brauchst du nicht. Aber das ist nicht die Regel.

Zuender: Wünschen sie sich mehr Solidarität von Seiten der jungen Feministinnen, wie es jüngst von der Journalistin Mely Kiyak in der ZEIT gefordert wurde?

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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