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Accra-Berlin

Mischpulte für die Welt

Eine Berliner Band baut in Ghana ein Tonstudio und einen Club, um die lokale Musikszene zu unterstützen. Heidemarie Wieczorek-Zeul wäre begeistert, oder?

"Mit Entwicklungshilfe hat das alles nichts zu tun!" Helmut Erler sagt das mit Nachdruck, seine Stimme wird lauter. Eigentlich ist er ein besonnener Typ. Einer, der die Gedanken reifen lässt, bevor er sie ausspricht. Wenn er vom Engagement seiner Band in Afrika erzählt, ändert sich das. Dann mischt sich etwas sehr Lebendiges in seinen sonst zurückhaltenden Ton. Das Tonstudio, das er zusammen mit Michael Wolf und Gordon Odametey vom Berliner Trio Hey-O-Hansen in Ghana aufbaut, ist ihm wichtig.

Auch weil es endlich eine Möglichkeit bietet, aus der monotonen Interview-Routine auszubrechen. Helmut Erler kennt die Momente nur zu gut, in denen die Gespräche mit Musikjournalisten auf der Stelle treten. Nach einem Interview mit dem österreichischen Radiosender FM4 entschloss sich die Band etwas dagegen zu setzen: "Wir wollten nicht mehr darüber reden, dass die Bassdrum jetzt noch fetter und die Tracks noch geiler sind. Dann hat Michael in diesem Interview fast beiläufig erzählt, dass wir planen, nach Ghana zu fahren, um dort einen Club und ein Tonstudio aufzubauen. Plötzlich hat das Gespräch eine völlig andere Dimension bekommen."

Das Studio wird in einem Außenbezirk von Accra , der Hauptstadt von Ghana, stehen. "Wir wollen vor allem Musiker unterstützen, die keine Instrumente besitzen. Sie können dort üben, lernen und Musik aufnehmen", sagt Gordon Odametey mit seinem warmen ghanaischen Akzent. "Es soll ein offener Ort sein. Für die Musikszene in Ghana, aber auch für Deutsche, die Interesse haben, eine zeitlang dort zu arbeiten."

Odametey verließ Ghana vor zwanzig Jahren, um in Deutschland als Trommler ein Konzert zu spielen. Er nutzte die Gelegenheit, blieb und arbeitete als Musiklehrer. Schon in den Achtziger Jahren kaufte er Land in Accra. Heute steht auf diesem Grundstück ein Haus. Strom und Wasser sind gelegt, die Anträge ein Studio und einen Club zu eröffnen genehmigt. Jetzt fehlt nur noch  Geld für die Ausrüstung: Instrumente, Computer, Mischpult. Die Band allein kann das nicht bezahlen und hofft nun auf Unterstützung von außen – daher auch der Schritt in die Öffentlichkeit.

Musik aus Ghana, wünscht sich die Band, soll in der Produktionsqualität neben der Europäischen und Amerikanischen bestehen können. Das geht aber nur, wenn lokale Musiker Technik nutzen können, die an europäische und amerikanische Standards heranreicht. Sie brauchen also ein professionelles Studio.

Durch seine Arbeit als Toningenieur beim Berliner Masteringstudio Dubplates weiß Erler, wie wichtig die Klang- und Produktionsqualität von Musik ist. "Ich habe vor kurzem mit jemandem von den Philippinen gesprochen. Dort arbeitet man mit extrem veralteten Mitteln. Europäische Musik bläst die Leute dort einfach um, weil sie viel besser gemacht ist. Aber wenn sich moderne Technik weiter verbreitet, schaut man in zehn Jahren von den Philippinen aus nicht mehr nach Europa." Auch nicht aus Ghana – hofft die Band.

Aber den Musikern geht es auch darum, ein politisches Zeichen zu setzten: Statt den strapaziösen und oft tödlichen Weg nach Europa auf sich zu nehmen, das die Afrika-Flüchtlinge am liebsten so schnell wie möglich wieder loswerden möchte, sollen die Menschen da bleiben und in Ghana kulturellen und ökonomischen Halt finden. Dazu möchte die Band einen Beitrag leisten auch wenn allen klar ist, dass ein Tonstudio nicht mehr sein kann, als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Eigentlich klingt alles, was Helmut Erler über das Projekt erzählt, wie aus den offiziellen Leitsätzen der deutschen Entwicklungshilfe . Warum also sperrt er sich gegen den Begriff? Zunächst weil er wert darauf legt, dass das Projekt auf einer privaten Initiative beruht. Bis heute wird es aus den Taschen der Bandmitglieder finanziert. "Ich habe kein Helfersyndrom", sagt er. "Es ist einfach spannend, in das Projekt involviert zu sein." Außerdem habe er ein Problem mit dem Konzept der offiziellen Entwicklungshilfe. "Einerseits baut man riesige Zäune um Europa und lässt die Leute elendig im Meer vor der europäischen Küste ertrinken. Andererseits schickt man ihnen Geld und Hilfe, die nur das Notwendigste leisten kann."

Wenn Erler über die europäische Einwanderungspolitik redet, weiß er, wovon er spricht. Sein Vater war in Österreich Zollbeamter und hat jahrelang Flüchtlinge abgeschoben. Erler wuchs mit den Geschichten seines Vaters auf, Geschichten von Migranten, die über die Alpen gezogen sind. Ohne Schuhe, leicht bekleidet. "Viele wussten gar nicht, dass es in Europa schneit. Einige kamen immer wieder und wurden immer wieder weggeschickt. Meinen Vater haben diese Erfahrungen dazu gebracht, die Seiten zu wechseln." Nach seiner Pensionierung arbeitet er in einem Flüchtlingsheim und betreut in Österreich ehrenamtlich illegale Einwanderer.

Ghana zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Doch in Verhältnis zu anderen Afrikanischen Staaten ist die politische und ökonomische Lage stabil. Moslems, Christen, Hindus und über hundert verschiedene Ethnien leben friedlich miteinander. In der Musikkultur hat der so genannte High Life eine bis in die Zwanziger Jahre zurückreichende Tradition, eine Mischung aus Jazz und traditionellen afrikanischen Musikstilen. Unter jungen Musiker ist heute der Hip-Life populär, eine Mischung aus High Life und HipHop. "Ich bin mit der lokalen Musikkultur noch nicht zufrieden. Es sind viele gute Ansätze vorhanden, aber da geht mehr", sagt Gordon Odametey.

Welche musikalischen Ziele verfolgen Hey-O-Hansen in Ghana? "Auf keinen Fall Berliner Elektronika in afrikanischem Gewand. Aber man muss das offen halten", sagt Helmut Erler. Die Befürchtungen, dass westliche Produktionstechnik die reiche traditionelle Musikkultur aufweicht und zerstört, hält er für gegenstandslos: "Genau so könnte man fordern, keine Handys nach Afrika zu bringen, weil die Elektrosmog verursachen. Dieses Herzerreißende, Authentische, das wir Europäer in der afrikanischen Musik sehen, empfinden die Menschen im Land gar nicht so. Dort ist Musik einfach was sie ist und sie verändert sich."

Bisher war nur Gordon Odametey in Ghana. Michael Wolf und Helmut Erler freuen sich, bald das erste Mal nach Accra zu reisen, um endlich loslegen zu können. So lange das Geld für die Studiotechnik nicht da ist, sind den Musikern die Hände gebunden. Doch es gibt noch andere unbeantwortete Fragen: "Wass passiert dann mit der Musik dort? Wie kann man sie verkaufen? Gründet man ein Label? Es wäre doch toll, wenn in Berlin und in Accra Menschen von diesem Projekt leben könnten." Fest steht für Helmut Erler jetzt schon: "Unser Club soll der fetteste Accras sein."

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