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Dänemark

Wer verjagt die Hippies?

Sie leben ihr eigenes Leben mitten in Kopenhagen: Aussteiger, die vor 35 Jahren die Freistadt Christiania gründeten. Doch das Paradies steht auf wackligen Füßen

Das Paradies ist dreißig Hektar groß und liegt in Kopenhagen, Dänemark. Christiania steht über dem Tor, das auf ein ehemaliges Kasernengelände führt. Dahinter toben Kinder in Batikshirts über Trampelpfade, meist langhaarige Bewohner gehen in bemalten Hütten und Bauwagen ihrem Tagewerk nach. Sie recyceln Schrott, bauen Fahrräder zusammen, klimpern auf Gitarren herum oder liegen Grashalme kauend in der Sonne. Ein See, ein Wäldchen und Wiesen für alle; Cafés, Kunsthallen, Theater und Schwimmhalle auch.

Was ist das hier? Eine nonkonformistische 800-Seelen-Enklave mit eigenem Postwesen und eigener Verwaltung im Zentrum der Hauptstadt Dänemarks? Eine Hippie-Kommune, alternatives Wohnprojekt, Lebenskünstler-Dorf? So steht es noch in den Reiseführern.

Die Nachrichten zeigen etwas anderes. Von Tumult und Krawallen in Kopenhagen ist dort die Rede, Randalierer, die Barrikaden bauen und Flaschen und Feuerwerkskörper auf Polizisten werfen. Das war vor zwei Monaten so, als das selbstverwaltete Jugendzentrum Ungdomshuset erst geräumt und dann abgerissen wurde. In der vorigen Woche kam die Gewalt nach Christiania. Beschützt von vielen Polizisten rissen Arbeiter der Stadt ein Haus in der Kommune ab, wieder zogen Rauchschwaden durch die Bilder der Fernsehnachrichten. 59 Personen wurden festgenommen, fünf von ihnen zu 20 Tagen Haft verurteilt.

Autonome hätten sich mit kriminellen Haschischhändlern zusammengetan, sagte Kopenhagens Polizeichef Per Larsen später, "für die einen ist das eine politische Angelegenheit, für die anderen geht es um Geld". Die Räumungsaktion sei nur ein Vorwand gewesen, eigentlich gehe es darum, die "Schleusen für den privaten Wohnungsmarkt zu öffnen und Christiania ähnlich wie das Ungdomshuset platt zu machen", heißt auf der Gegenseite .

So viel Wirbel um ein abgerissenes Holzhaus? Um das zu verstehen, lohnt es sich, einen kurzen Blick auf die Geschichte von Christiania zu werfen. Sie beginnt im Jahr 1971.

Mitten in der Großstadt schlugen ein paar tausend Alternative, Anarchisten und Künstler auf einem altem Militärgelände ihr Lager auf, pfiffen auf Behörden und Konventionen und riefen den Freistaat aus. Weil die Regierung die neuen Bewohner nicht vertreiben konnte, wurde die Siedlung als "soziales Experiment" und autonome Kommune geduldet. Damals wurde ein Vertrag geschlossen, auf den die Kommunarden sich noch heute berufen. Doch im Laufe der Jahre mussten sie Kompromisse eingehen, Luft und Liebe gegen Gesetze eintauschen, die von der anfänglichen Selbstbestimmung nicht viel übrig ließen. Inzwischen begleichen sie Strom-, Wasser- und Müllrechnungen, Polizisten patroullieren auf der Pusher Street, die zum Zentrum des Haschischhandels mutiert war.

Seit dem Jahr 2001 schwebt sogar ein so genannter "Normalisierungsplan" über der Kommune. Die rechtsliberale Regierung unter Anders Vogh Rasmussen ist dem unbändigen Etwas, das die unabhängige Enklave darstellt, nicht freundlich gesonnen.

"Offiziell heißt es, man wolle mehr Kontrolle über die Kommune haben. Es könnten wieder Drogen auftauchen oder soziale Unruhen entstehen. Aber überleg doch mal:", sagt Per, der in Kopenhagen wohnt. "Nirgendwo ist Wohnraum so günstig wie in Christiania. Und alles liegt inmitten wunderschöner Natur. Der Staat will am liebsten das gesamte Gelände verkaufen und Villen für die Reichen bauen lassen." In der Tat wurden vor ein paar Jahren Eigentumswohungen vor den Toren Christianias gebaut. Rund zwei Millionen Euro kostete eine dieser Wohungen damals, das entspricht in etwa dem Jahresbudget des Freistaats. Das Angebot an die Bewohner Christianias, ihre Häuser und Bauwagen künftig von der Stadt zu mieten oder zu kaufen, findet Per zynisch. "Die haben weder das Geld dafür, noch passt dieser Vorschlag zu ihrer Ideologie."

Die Christianitter gehen davon aus, dass die Regierung nicht friedlich verhandeln will. Gut für sie, dass sie zwei Drittel der Dänen hinter sich haben, denen die Kommune und ihre Utopie am Herzen liegen – gerade weil die Zukunft des Hippiedorfes auf so wackeligen Füßen steht, wie manche der bunten Hütten dort. Außerdem, so ein Kommentar in einer dänischen Zeitung, sei das martialische Vorgehen der Behörden gegen "leicht naive Hippies nicht sehr edel. Wahrscheinlich war die Abrissaktion ein Zeichen der Regierung an den Freistaat, endlich gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und aufeinander zuzugehen. Aber solche Aktionen bewirken genau das Gegenteil."

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