//Zitate-Blog//

Zitat des Tages

Es wird viel gesagt, wenn der Tag lang ist. Und es gibt viele lange Tage »

 

//Kochblog//

Rezeptor

Unser Topf soll schöner werden? Das Zuender-Kochblog hilft »

 

//Spielen//

Wir wollen Spaß

Kommt ins Bälleparadies – alle Spiele vom Zuender gibt es hier »

 

//Newsletter//

Post von Zuenders

Was gibt es neues aus der Redaktion? Unser Newsletter informiert Dich an jedem ersten Donnerstag im Monat. Hier anmelden »

 
////

Literatur

Aufgeräumt und dunkel

Der Schriftsteller Benjamin Maack mag es ordentlich – in seinem Leben und in seinen Geschichten. Ein Porträt

Benjamin Maack kann alles in seinem Leben mit einem Wort erklären. Dass er das Kassettenlabel Einlegen betreibt: Unfug. Dass er Reporter war und jetzt Redakteur bei einer Zeitschrift für Videospiele ist: Unfug. Dass er Lieder schreibt und singt: Unfug. Dass er seit Jahren auf etlichen Bühnen Deutschlands aus seinen Texten vorliest: Unfug. Und nun sein aktueller Erzählband Die Welt ist ein Parkplatz und endet vor Disneyland – natürlich auch Unfug. „Aber großer“, sagt der 29-jährige Schriftsteller.

Aber Maack ist ein Tiefstapler, wenn er seine gesamte kreative Laufbahn als Unfug abtut. Sein erstes Buch Du bist es nicht, Coca Cola ist es erschien vor drei Jahren, ein Lyrikband. Genau, Lyrik – die Gattung, die als altväterlich und uncool gilt. Die junge Menschen höchstens noch heimlich in Tagebücher schreiben oder auf Zettel, die dann bald im Altpapier verschwinden. Maack mache aus ihr „ein gesellschaftliches Erlebnis“, schrieb damals die taz . Da zuckt er nur mit den Schultern. „Die haben das wohl nicht verstanden“, sagt er und schmunzelt. „Aber so funktionieren Gedichte ja. Jeder sieht darin, was er will.“ Das sei auch in Ordnung.

Es ist der erste warme Sonntag des Jahres, Pulloverwetter, und an der Elbe drängen sich die Spaziergänger. Benjamin Maack geht langsam, so langsam, wie er spricht, fast schüchtern. Oder ist das Bescheidenheit? Denn bescheiden ist Maack, sehr sogar. „Würde ich sehen, dass meine Bücher neben denen von John Steinbeck stehen, würde ich sie vor Scham klauen und in den Müll werfen“, sagt er. Wie er das sagt, sich dabei flüchtig am Bart kratzt, nimmt man es ihm ab.

Gar nicht bescheiden ist Maack hingegen, wenn er auf der Bühne steht. Dort genießt er es zu provozieren. Kritische Zwischenrufe aus dem Publikum kommentiert er lieber, als sie zu beantworten. „Ich bin eine Lesemaschine“, sagt er dann von sich. Auf einer Lesung sei ihm sogar die Gitarre weggenommen worden, nach einem Auftritt als Vorband wollte ihn die Hauptgruppe verprügeln. „Es gibt eben Leute, die wissen es nicht besser. Die verhalten sich wie auf dem Dorf.“

Er weiß, wovon er spricht. Kindheit im Vorortidyll. Bardowick , kurz vor der Unistadt Lüneburg, kein Kino, aber viele Einfamilienhäuser, rot verklinkert mit hohen Hecken. 20 Jahre lebte er dort. Dann Umzug nach Hamburg, wo er zunächst im Randbezirk Farmsen wohnte. „Zwischen den Hochhäusern dort kann man ja nur verzweifeln“, sagt er. Jetzt lebt er auf St. Pauli.

Bald nach dem Umzug stand und saß er auf Hamburgs Literaturbühnen. „Zum Glück waren Leute da, die gut fanden, was ich schrieb. Sonst hätte ich vielleicht gar nicht weitergemacht.“ Maack machte weiter. Eine Zeit lang trat er auf Poetry Slams auf, dieser besonderen Form der Lesung, in der das Publikum bewertet und meistens derjenige gewinnt, der die meisten Witze macht. „Bald war mir das zu unanständig“, sagt er heute. Unanständig, das ist auch so ein Wort von Benjamin Maack.

Vielleicht, weil alles an ihm so anständig ist. Seit sieben Jahren eine feste Freundin, ein poliertes Rennrad lehnt im Flur seiner Zweizimmerwohnung. Er kennt jede Schraube, jedes Gestänge mit Namen. „Weil ich es selbst zusammengebaut habe.“ Bevor er schreibe, müsse er erst seine Wohnung aufräumen, damit er sich konzentrieren könne. Das wirkt eigentümlich, vergleicht man es mit den Bildern der Verwüstung, die der wohl berühmteste Jungschriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre von seinem Arbeitsplatz und Leben lieferte. Benjamin Maack mag es ordentlich.

Auch seine Geschichten. In den elf Erzählungen seines neuen Buchs steht kein Wort zu viel, jeder Satz am rechten Ort. „Viele habe ich lange liegen lassen und so lange verdichtet, bis es nicht mehr ging, bis wenige Worte das sagen, was es zu sagen gibt.“ Als rüttelte man einem Eimer Steine so lange, bis sich nichts mehr bewegt. Wie Raymond Carver es beherrschte, der große Mann der amerikanischen Kurzgeschichte. Oder Hubert Selby – Maacks Idol.

Maack schreibt nicht überheblich und altklug, wie viele seiner jungen Kollegen. Er will keine Welt erklären, kein Lebensgefühl. „Es ist wirklich absurd, wenn Leute über ein Buch sagen, es sage genau das, was sie schon immer dachten“, sagt er. „Gerade Literatur sollte einen an Orte zerren, an denen man noch nicht war.“

Seine Geschichten zeigen tote Winkel, die zuvor wenige betreten haben. So auch "Am liebsten hätte ich gern ein Hündchen", die letzte des neuen Bandes. Sie erzählt von drei Mädchen auf einer Kinderkrebsstation, jedes von ihnen unheilbar krank, beinahe schon tot. „Nicole trägt eine schwarze Cleopatra-Perücke, weil Ägypten sie interessiert und die Chemo ihre Haare ausgehen lässt“, heißt es dort. „Bei Leukämie stehen die Heilungschancen zwei zu eins. Ihr Zwillingsbruder war eins.“ Nüchtern baut er seine Sätze, rhythmisch wiederholen sich die Satzanfänge, kraftvoll und einfach klingt seine Sprache.

Maacks Motive sind zerstörerisch, bedrohlich und traurig. Seine Geschichten sind voller Krankheit und Tod. „Nur weil Dinge schrecklich sind, können sie doch Poesie haben“, sagt er. Trotzdem hat er sich etwas bewahrt, das wenige Schriftsteller heute besitzen: einen kindlichen Blick. In Menschen retten heißt es: „Meine Oma liebt mich. Auch jetzt noch, wo sie niemanden mehr erkennt und überall durchsichtige Schläuche unter der Bettdecke rauskommen, durch die dicke Flüssigkeiten laufen, die aussehen wie die Milchshakes bei McDonalds.“ Wie ein Kind nennt Maack die Dinge beim Namen, auch die schrecklichen.

Er führt uns diese Schrecken vor, und am Ende ist es: „Als hätte man Disneyland genommen, mit seinen Wurzeln und Höhlen und Kellern unter dem Park, es aus dem Boden gerissen und umgedreht, sodass alle schlimmen Wahrheiten, die Albträume und halbseidenen Versprechen nach oben gekehrt sind. Und der Freizeitpark zeigt sein wahres Gesicht.“

Wenn Unfug das kann, ist es dann noch welcher?

Auch wichtig:

Dichter an der Flasche - Gunter Gerlach veranstaltet Lesungen, die breit machen

Die Liebesbehinderten - Wie funktioniert eine Beziehung, in der ein Partner Aids hat? Der Comic Blaue Pillen erzählt diese Geschichte

Drüber reden? - Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

//  Startseite //  // Politik // Kultur // Leben // Schwerpunkte // Bildergalerien //  // Adam Green // Redaktionsblog // Rezeptor // Markus Kavka // Selim Oezdogan // Sonntagstexte //  // Zitat des Tages // Spiele //  //
//  IMPRESSUM //

 

ZUM SEITENANFANG