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Musik

Ich habe meine Eier satt…

… singt Katerine auf seinem neuesten Album, das in Frankreich ein großer Hit ist. Und mit dem Erfolg kam der Hang zu bizarren Glitzerkostümen und absurden Tanzshows.

Die Bühne ist gelb, die Kulisse und die Kostüme schwarz. Wenn der Zuschauer die Augen zusammenkneift, sieht das Ganze aus wie eine Biene.

Doch zum Lachen ist die erste Szene aus 2008 Vallée , dem neuen Tanzstück von Pillipe Katerine, nicht: In strenger Haltung intonieren drei Frauen und zwei Männer den Refrain von J'adore . Es ist ein Lied aus Robots après tout (Roboter letztendlich), dem achten und bislang letzten Album von Katerine. Gemeinsam mit der Choreografin Mathilde Monnier hat der französische Popmusiker daraus ein Tanzstück entwickelt.

Der Gesang wird zum Gebrüll, das unangenehm in die Ohren dringt. Die Darsteller schwingen dazu abwechselnd die Hände im Takt nach vorn, ihre Körper sind steif. Soll heißen: Gruppenzwang macht aus Menschen leblose Roboter – eines der zentralen Themen von Robots après tout .

Mit fürstlichem Gang betritt Philippe Katerine als letzter die Bühne. Aus dem eleganten Dandy von einst ist ein gutmütiger älterer Herr mit Bauchansatz geworden. Statt des eleganten Scheitels trägt er seine Haare nun wuschlig und lang. Katerine stellt sich ans Mikrofon und beginnt mit der gewohnten Fistelstimme den Text von J'adore zu singen.

In dem Song geht es um einen DJ, der seine Gäste damit verrückt macht, dass er mitten im Lied die Lautstärke rauf und runter dreht. Die Drehbewegung macht Katerine jetzt auf der Bühne nach und bringt damit die hölzerne Choreografie hinter sich aus den Fugen. Die Körpersicherung der Tänzer brennt durch. Katerines Stimme versagt, sie klingt jetzt wie eine kaputte Maschine. Dann steckt sich der 38jährige Sänger grinsend einen Finger in der Nase und dreht sich wie ein Kreisel um die eigene Achse. Das Lachen eines Kindes schallt aus dem Publikum.

Ausgerechnet Kindern soll Katerines neues Album besonders gefallen. Aber auch der Rest von Frankreich ist ihm verfallen. Mit L'homme à trois mains (Der Mann mit drei Händen) aus dem Jahr 1999 war Katerine bereits bei einem größeren Kreis von Hörern bekannt geworden. Darauf folgten Experimente in anderen Sparten der Kunst: 2000 spielte er im Film Nom de code: Sacha von Thierry Jousse. 2003 stand er selbst hinter der Kamera für zwei autobiografische Filme – Un km à pied (Ein Km zu Fuss) und Peau de cochon (Schweinehaut). Der kommerzielle Durchbruch kam aber erst mit der neuesten Platte.

Das wundert nicht: Manche Lieder gehen direkt in die Beine und verpassen einem einen so hartnäckigen Ohrwurm, dass man ihnen sofort das Zeug zum Sommerhit zutraut. Vor kurzem wurde Katerine eingeladen, bei Star Academy aufzutreten, der französischen Version von Deutschland sucht den Superstar .

Das spricht allerdings nicht gegen die Qualität des Albums, das Katerine auf die übliche Art zunächst allein und mit wenig Technik produziert hat und das dann von den Musikerkollegen Gonzales und Renaud Létang mit elektronischen Elementen aufgepeppt wurde. Die Texte darauf sind trivial, aber eindrucksvoll. Großzügig verwendet Katerine Grobheiten wie "Ich habe in deine Haare ejakuliert", "Frohes Neues Jahr, du dumme Sau" oder "Ich habe meine Eier satt. Sie folgen mir überall hin". Trotzdem haben sie auch Tiefgang: Es sind Alltagsanekdoten über Oberflächlichkeit – sowohl seine eigene, als auch die seiner Zeitgenossen.

Durch den Erfolg scheint Katerine kompromissloser geworden zu sein. Neuerdings tritt er bei Konzerten in lächerlichen Glitzerkostümen und mit schrill geschminktem Gesicht auf. In ähnlicher Montur ist er kürzlich auf einem Lastwagen durch sein Heimatdorf gefahren. Zum Abschluss sang er vor dem Friedhof "Ich liebe es, Menschen tanzen zu sehen" – der wilde Sohn war zurückgekehrt. Aus der unangekündigten Performance wurde ein spontaner Rave – und der Videoclip zu J’adore .

Katerine genießt diese pompösen Inszenierungen offensichtlich. Es ist, als würde er dem Publikum sagen: "Ich bin ein Popstar. Also handle ich auch so. Ich mache mich zum Spektakel, bin aber dadurch auch verwundbar." So endet die erste Szene aus 2008 Vallée wie zufällig damit, dass einer der Darsteller Katerine angreift. Die beiden prügeln sich, Katerine bricht zusammen und bleibt am Boden liegen.

Darauf folgt eine Reihe zusammenhangloser Ereignisse: Einer bellt, eine andere quietscht, wieder andere ziehen Grimassen oder tanzen wild in einer Ecke. Man neckt sich, man leckt sich, man liebt sich. Man nimmt sich vor allem nicht ernst. Chaotisch wirkt das Ganze, manchmal auch langweilig.

Interessanter ist es, Katerine zu beobachten. Der kommt mit der Choerografie, die er doch selbst entworfen hat, kaum mit, hängt immer eine halbe Bewegung hinterher. Er gibt sich sichtlich Mühe und sieht dabei aus wie ein eifriges Kind. So unbefangen wirkt er, als würde er nicht auf einer Bühne, sondern in seinem Schlafzimmer tanzen. Ab und zu schaut er mit zugekniffenen Augen ins Publikum. Sein Blick ist dabei mal spöttisch, mal verlegen. Man wüsste gern, wie das Ganze für ihn gerade aussieht.

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