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Fernsehen

Ich heirate eine Sozialdebatte

Die Serie "Türkisch für Anfänger" ist die konsequente Fortentwicklung der Vorabend-Soap. Doch statt neurotischer Großstadt-Twens treffen hier gleich ganze Kulturen aufeinander. Und das ist auch noch witzig. Jetzt startet die zweite Staffel.

Die Idee war simpel: „ Ich heirate eine Familie auf türkisch“ wollte Bora Dagtekin machen. Dagtekin, der früher mal für Gute Zeiten, schlechte Zeiten geschrieben hat, ist seit vergangenem Jahr für die ARD-Serie Türkisch für Anfänger verantwortlich, die einhellig positive Kritiken bekam und als Highlight des vergangenen Fernsehjahres mit Preisen überhäuft wurde.

Tatsächlich kann man Türkisch für Anfänger als zeitgenössische Neuauflage des ZDF-Klassikers sehen. Statt Peter Heck und Thekla Carola Wied sind es die Psychotherapeutin Doris Schneider und der Polizist Metin Öztürk, die sich verlieben und zusammenziehen. Sie bringen vier Kinder mit in die neue Familien-WG, jeweils einen Sohn und eine Tochter. Bei der folgenden Konfrontation der Kulturen wird zunächst kein Klischee ausgelassen: Der siebzehnjährige Cem gibt den Proll und pflegt ein konservatives Frauenbild. Tochter Yagmur ist strenggläubige Muslima und verneigt sich fünf Mal täglich gen Mekka. Die deutsche Mutter Doris erzieht ihre Kinder Lena und Nils dagegen antiautoritär und sagt in Konfliktsituationen Dinge wie: „Wir holen tief Luft und atmen alle unsere Aggressionen aus.“

Dann aber passiert das Unglaubliche: Die Serie übersteht alle Klischees. Denn anders als viele deutsche Comedys, die einfach 20 Minuten lang Witze aneinanderreihen, interessiert sich Türkisch für Anfänger für seine Charaktere. Das Drehbuch vergisst in keiner Folge, die Figuren mit eigenen Geschichten auszustatten.

Gleich am Anfang steht zum Beispiel die Geschichte von Lena und ihrer neuen Schwester, mit der sie wider Willen ihr Zimmer teilen muss. „Du kannst ja nichts dafür, dass du so modern erzogen worden bist“, wirft ihr Yagmur gern an den Kopf und arbeitet mit demselben rechthaberischen Kopfschütteln, das ihr und ihrem Kopftuch normalerweise entgegenschlägt. Auf den ersten Blick könnte das neue Schwesternpaar unterschiedlicher kaum sein. Im Prinzip suchen aber beide nach Orientierung. Yagmur verzweifelt dabei an den Regeln des Islams, Lena weiß gar nicht erst, wo sie wenigstens ein bisschen Identität finden soll. Zum Schrecken ihrer liberalen Mutter fordert sie schließlich: „Ich will Regeln!“ Als sie diese nicht bekommt, bedient sie sich anderweitig und probiert in ihrer Not sogar mal ein bisschen Judentum. Als sie Yagmur mit „Shalömchen!“ begrüßt, droht diese mit dem Dynamitgürtel. Das ist natürlich grenzwertig, aber wo gab es das zuletzt, dass eine Comedyserie aus dem Vorabendprogramm es wagte, ihre eigenen Grenzen zu thematisieren?

Die Stärken der Serie liegen freilich nicht darin, komplexe politische oder gar religiöse Diskurse aufzugreifen. Das zeigt ein Vergleich zu der inhaltlich ähnlich gelagerten Sitcom Little Mosque on the Prairie , deren erste Staffel gerade auf dem kanadischen Sender CBC gelaufen ist. In deren Mittelpunkt steht die Moschee einer kleinen muslimischen Gemeinde in der kanadischen Provinz, die einzelnen Nebengeschichten behandeln vor allem religiöse Probleme beim Aufeinandertreffen der Kulturen. Werden in Little Mosque on the Prairie etwa geflissentlich die fünf Säulen des Islam aufgezählt, versucht Türkisch für Anfänger gar nicht erst, religiöse oder migrationspolitische Themen ernsthaft zu behandeln.

Ein gutes Beispiel dafür sind die beiden Sätze, mit denen Yagmur im Restaurant erklärt, warum sie auf einem frisch verpackten Teller besteht, auf dem noch kein Schweinefleisch serviert wurde: „Ich bin Moslem. Das ist eine Religion.“ Die Serie ist trotz des Leitthemas vor allem eines: Comedy.

Türkisch für Anfänger vermittelt ein lebendiges Bild des deutsch-türkischen Status quo, zum Beispiel als gegen Ende der ersten Staffel der reaktionäre Opa Hermi auftaucht. Der ehemalige Knopffabrikant hält Yagmur mit ihrem Kopftuch zunächst für eine Putzfrau. Seine Vorurteile sind aber nicht mehr als gelebte Erinnerung, denn in Wahrheit hat er unternehmerisch wie ideologisch gründlich abgewirtschaftet und ist auf Asyl in der multikulturellen Patchwork-Familie angewiesen. Die Serie macht sich einen Spaß daraus zu zeigen, wie längst ausgehöhlte Grundsätze implodieren, wenn sie der gesellschaftlichen Realität ausgesetzt werden.

Ansonsten entwickelt Bora Dagtekin seine Charaktere scheinbar unspektakulär entlang von Pubertätsproblemen und Beziehungsdreiecken – ein alter Serientrick, um langweiliger Harmonie vorzubeugen und nebenbei die wirklich interessanten Geschichten zu erzählen. Folgerichtig kündigt die Vorschau auf die zweite Staffel für fast jede der Hauptfiguren eine problematische Liebesgeschichte an. Die Liaison zwischen den neuen Geschwistern Lena und Cem, die sich zum Ende der ersten Staffel abzeichnete, wird weiter von Lenas psychisch labilem Freund Axel verhindert, Yagmur wird einen Verehrer bekommen, und der geplanten deutsch-türkischen Hochzeit der Schneider-Öztürks wird Doris’ Exfreund Markus entgegentreten.

Vielleicht gelingt es Türkisch für Anfänger diesmal sogar, die Zuschauer zu überzeugen. Die erste Staffel, die vor einem Jahr im Vorabendprogramm der ARD lief, folgte noch dem Stromberg -Paradigma: Die Kritik feierten sie euphorisch, die Einschaltquoten waren niedrig. Trotzdem wurden der Serie nun 24 neue Folgen spendiert – eine Größenordnung, wie sie sonst nur bei erfolgreichen US-Sitcoms üblich ist.

Die zweite Staffel läuft ab dem 27. März dienstags bis freitags um 18.50 Uhr in der ARD.

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