Selbstdarstellung
Schau mich an
Wieso bewirbt man sich bei "Deutschland sucht den Superstar"?
Stefanie Hiekmann
hat mit zwei Bewerbern gesprochen. Sie wollte Star werden, er wollte Spaß machen. Geklappt hat beides nicht.
Tobias Ellguth senkt den Kopf, seine langen Haare verdecken das Gesicht. Er muss sich konzentrieren, um den richtigen Ton und die passende Lautstärke zu finden. Dann growlt er los. Das Stück heißt
I Will Kill You
und ist von
Cannibal Corpse
, einer Death-Metal-Band. Schon während des Auftritts schaut die Jury von
Deutschland sucht den Superstar
den 16-Jährigen schräg an. Als Tobias fertig ist, äfft der Juryvorsitzende Dieter Bohlen zunächst sein Gebrüll nach. Dann legt Bohlen los: "Ich habe im Moment Magen- und Darmgrippe. Was ich gerade gehört habe, hat mich ein bisschen an das erinnert, was mir vorhin auf dem Klo entfahren ist." Tobias wünscht noch gute Besserung und geht.
"Das war ja noch ganz human", meint Tobias später nach der Aufzeichnung. Besonders getroffen wirkt er nicht. Gewinnen wollte er sowieso nie, sagt er. Als er beim Surfen im Internet gesehen habe, dass man sich für die vierte Staffel von
Deutschland sucht den Superstar
bewerben könne, erinnerte er sich an ein Video, das er auf YouTube gesehen hatte. Es war ein Ausschnitt aus der österreichischen Version von
DSDS
. "Da hat jemand ein Death-Metal-Stück gesungen", sagt Tobias. "Hörte sich geil an." Tobias mag Death Metal. So sehr, dass er es auch anderen Menschen näher bringen möchte – zum Beispiel dem durchschnittlichen RTL-Zuschauer. Also meldete er sich mit
I Will Kill You
bei
DSDS
an. "Das war nie ernst gemeint. Ich wollte nur schocken und ein bisschen Spaß haben", sagt Tobias. Ob er deswegen ein Dissident sei? Einer, der die Jury mit ihren eigenen Waffen schlage, weil ihm die Bewertung egal ist? Tobias winkt ab. "Genau solche Leute wie mich wollen die doch haben."
RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer bestätigt das. "Die ersten fünf Sendungen, leben gerade von diesen schrägen Typen", sagt sie. In den frühen Auswahlrunden würden deswegen bewusst nicht nur die besten Sänger, sondern auch die seltsamsten Bewerber ausgewählt. Eickmeyer glaubt, die Mehrheit der Bewerber bei den Castings sei dort, um zu gewinnen. Einigen merke man aber an, dass sie die Show nicht ernst nehmen. "Die wollen einfach mal ins Fernsehen kommen."
Zu denen, die es ernst meinen, gehört Rebecca Schubert. Mit 18 Jahren hat Rebecca angefangen zu singen, heute ist sie 23. "Anfangs war es einfach ein Hobby, aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass man da was rausholen kann", sagt sie. Ihre Mutter war es, die ihr dazu riet, sich zum Casting anzumelden. "Erst habe ich gezögert, doch dann dachte ich, dass die Show eine gute Möglichkeit ist, um Aufmerksamkeit zu bekommen." Rebecca schaffte es unter die besten 40, bevor sie rausflog. Nun verschickt sie weiter Demo-CDs, um einmal Sängerin oder Musikmanagerin zu werden.
Für Rebecca war ihr Auftritt, wie für viele
DSDS
-Bewerber, vor allem eine Karrieremaßnahme. Trotzdem hat sie Respekt vor denen, die wie Tobias einfach auffallen und Spaß haben wollen – den Freaks. "Ich bewundere deren Selbstbewusstsein", sagt sie. Nach ihrer Beobachtung kommen sie allerdings nicht weit. Unter die letzten 120 lasse RTL meist nur noch die, denen es ernst ist.
"Dass junge Menschen bei solchen Sendungen nach Anerkennung und Aufmerksamkeit suchen, ist völlig normal", sagt Diplom-Psychologe Florian Kießling von der Uni Osnabrück. Jugendliche wollten sich eben ausprobieren und ihre Grenzen kennenlernen. Eine Castingshow sei dafür prinzipiell gut geeignet. Problematisch sei nur die unverantwortliche Kritik der Jury und der Quotendruck, der mit so einer Sendung einhergehe. "Es müsste ein fairer Wettkampf sein", sagt Kießling. Dann sei gegen die Teilnahme nichts einzuwenden.
Tanja Thomas, Medienwissenschaftlerin an der Uni Lüneburg, hält das für völlig illusorisch. Sie untersuchte vor einiger Zeit das Prinzip der Castingshows und kam zu dem Ergebnis, dass die Shows nichts anderes als Training für den späteren beruflichen Wettbewerb seien. Ganz besonders die gandenlose Konkurrenz unter den Bewerbern und die Herabwürdigung würden vielen später noch öfter begegnen. Dass junge Menschen aber hier erfolgreich ihre Grenzen austesten können, bezweifelt sie.
Auch Death-Metal-Fan Tobias bereut seinen Schritt inzwischen. "Ich habe das Gefühl, jeder kennt mich", sagt er. Das ist nicht ganz falsch, bei YouTube ist er der erste Treffer für das Suchwort
DSDS
. 55.000 Mal wurde das Video bisher abgerufen. "Damit habe ich nicht gerechnet", gesteht Tobias. Dann zuckt er mit den Achseln und sagt: "Ich wollte mir früher ja auch nur die Leute anschauen, die sich da zu Vollidioten machen. Jetzt bin ich eben selbst einer."
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