Tausende junger Bands wollen vor allem eins: endlich berühmt werden. Das Bavarian Open Festival will ihnen dabei helfen. Ob’s funktioniert?
Von Andreas Dorner
Und dann kracht es. Der Bass wummert. Die Boxen zittern im Takt. Die mit Holz vertäfelte Wand wirft den Sound ungewöhnlich brachial zurück. Mitten in die Menge. Die Bühne verschmilzt mit dem Publikum, alles bewegt sich. „Wir sind The Audience!“ brüllt Bernd ins kabellose Mikro, die drängende Menge schreit begeistert zurück. Dann startet der breitschultrige Frontmann der Nürnberger Newcomerband voll durch. Sein schwarzes Hemd ist schon nach den ersten Minuten durchgeschwitzt, die Stirn glänzt im Scheinwerferlicht. Auf dem
Bavarian Open Festival
spielen er und seine Bandkollegen eigentlich so wie überall anders auch. Nur sind sie dieses Mal ein wenig nervöser.
Insgesamt 1800 Besucher strömen dieses Jahr in die heiligen Kammern des
Bayerischen Rundfunks
, um ihre Ohren einen Abend lang auf den Puls der deutschen Independent-Musik zu legen. Normalerweise geben sich hier Jazz-Combos, Volksmusikanten oder Streichorchester die Ehre. Doch wenn der
Zündfunk
zum
Bavarian Open Festival
lädt – mittlerweile zum vierten Mal –, füllen elektronische Beats, pfeifende Gitarren und kreischende Orgeln die Luft zwischen den Wänden.
Das Radio-Szenemagazin
Zündfunk
, täglich eine Stunde lang auf
Bayern 2
zu hören, ist mittlerweile weit über die Grenzen Münchens hinaus bekannt. „Das Festival war schon ausverkauft, bevor die Marketingaktion überhaupt ins Rollen kam“, freut sich Ulrike Ebenbeck, Leiterin des
Zündfunk
. Das Konzept des Festivals nennt sie „Hucke-Pack-Prinzip“: Unten populäre Musiker als Stütze, auf den Schultern viel versprechende, aber unbekannte Künstler. Oder anders gesagt: Newcomer nutzen die Strahlkraft der bekannten Bands.
Ob er nun von unten stützt oder oben balanciert, weiß Henning Wattkinson von der Berliner Band
Jeans Team
auch nicht so genau. Seine Band gilt zwar als eine der bekanntesten des Festivals, er selbst sieht den Durchbruch allerdings eher vor als hinter sich.
Jeans Team
tourt mittlerweile nicht nur in Deutschland, sondern auch in Skandinavien und Russland, rockt große Festivals in Spanien und Portugal. Einer ihrer Songs dudelt sogar in einem asiatischen Handywerbespot und vor wenigen Monaten spielten sie als Vorband der
Pet Shop Boys
. Nur finanziell schlägt sich dieser Erfolg nach wie vor nicht nieder. „Wenn du dich künstlerisch austoben willst, kannst du nicht wirklich Kohle machen“, sagt Henning.
„Kannst du von deiner Musik leben?“ Bei dieser Frage spitzen auch die Jungs von
The Audience
ihre Lauscher. Sie würden im Moment fast jeden Plattendeal unterschreiben. Sie sind heiß darauf zu spielen, zu touren und Erfolg damit zu haben. Der abseits der Bühne sehr sanfte Sänger Bernd könnte sich durchaus vorstellen, für den Erfolg ein paar Jahre lang am Existenzminimum zu leben. Aber dann sollte der Durchbruch schon kommen, findet er. Er spricht mit leiser Stimme, sein Blick ist nach unten gerichtet. Kaum vorzustellen, dass er zwei Stunden später bei der Zugabe sein Publikum mit „Ihr verdammten Arschlöcher“ begrüßen wird.
Wie es ist, alles auf eine Karte zu setzen, davon könnte Frank Möller alias
Knarf Rellöm
eine ganze Platte besingen. Mit seiner eigenwilligen Musik sorgt der Hamburger schon seit Ende der Achtziger konstant für Kopfschütteln. Er sieht sich als Teil des internationalen Armut-Jet-Set: „Manchmal weiß ich nicht, wie ich am Ende des Monats meine Miete zahlen werde und gleichzeitig überlege ich, welchen Flug ich zum nächsten Konzert nehmen soll.“ Das Absurde daran gefällt ihm. Kürzlich hat er sich ausgerechnet, wie viel Rente er bei Weiterführung des derzeitigen Lebensstils bekommen würde: „200 Euro. Das ist ein Witz. Wenn man Musik machen will, muss man sich auch immer fragen, ob man so einem Leben gewachsen ist.“
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Henning von
Jeans Team
arbeitet in seinem zweiten Leben als Architekt in Berlin. Vor ein paar Jahren noch hätte er für die Musik-Karriere sofort seinen Job hingeschmissen. Heute haben seine Freunde Kinder, ein Haus und große Autos. Die Euphorie der ersten Jahre ist der Ernüchterung gewichen. Henning macht unter anderem das Internet dafür verantwortlich. Auch wenn
Jeans Team
über ihre
MySpace
-Seite schon viele Kontakte knüpfen konnte, die unzähligen Tauschbörsen hätten das Musikgeschäft systematisch zerstört, der Markt werde überschwemmt von Musik. Deshalb sei es heute schwieriger, Erfolg zu haben.