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Selbsterfahrung

Im Porno-Wunderland

"Warum sind wir hier?" "Weil wir lernen wollen, was Männern am Sex gefällt?" "Und warum gibt es hier keinen Porno für Frauen?" "Frauen mögen keinen Porno." Kati Krause war auf dem Internationalen Erotikfilmfestival in Barcelona


Sonia steht auf der Bühne, auf der ganz Großen von IFG Adult Entertainment . Um sie herum hängen riesige Poster mit schönen Mädchen drauf, die die neuen Filme der spanischen Produktionsfirma bewerben. Auch mit Fotos von ihr. Über ihr ein breiter Bildschirm. Auch der zeigt sie, ganz groß. Sonia öffnet den ersten Knopf ihrer weißen, engen Bluse, hält inne und legt spielerisch die Hand hinters Ohr.

Hundert Männer pfeifen und schreien und halten hundert Digitalkameras in die Höhe. Sonia lacht, und ihr hübsches Gesicht strahlt auf. Sie wendet und schlängelt sich im Blitzlichtgewitter wie ein Hollywoodstar auf dem roten Teppich. Dabei entledigt sie sich langsam eines Kleidungsstückes nach dem anderen. Der Hut – runter. Sie schüttelt ihre langen, blonden Haare. Ja, sie ist ein Star. Dabei ist sie doch erst seit so kurzer Zeit dabei. Aber in Lissabon erkannten Männer sie schon auf der Straße, wollten Autogramme und Fotos. Und hier, in Barcelona, durfte sie auf der Pressekonferenz des Internationalen Erotikfilmfestivals mit den Organisatoren auf der Bühne sitzen. Fast fühlt sie sich ein bisschen überrumpelt, es ist alles so schnell gegangen.

"Ein Freiwilliger!" Der Typ mit dem Mikrofon und dem sarkastischen Lächeln hüpft unruhig um die nackte Sonia herum. Sie hat die Hände in die Hüften gestemmt und streckt ihre großen, augenscheinlich echten Brüste raus. Dann kniet sie sich mit gespreizten Beinen direkt vor das Publikum und fängt an, sich eine Perlenkette aus der Vagina zu ziehen. Ein Stöhnen geht durch die Menge, es blitzt noch mehr. Sonia steckt das Ende der Kette einem jungen Mann in den Mund. "Ein zweiter Freiwilliger!" Hundert Hände schießen in die Höhe. Sonia läuft zwischen den beiden hin und her und zieht dabei immer mehr Kette zwischen ihren Beinen hervor. Die Jungs haben schon keine Hände mehr frei. Dann nimmt sie eine 0,3l Flasche mit einer weißlichen Flüssigkeit, "trinkt" sie mit ihrem Unterleib, legt sich auf den Rücken, spreizt die Beine, und ein kleiner Springbrunnen sprudelt hervor…

"Das war okay. Aber ich hatte gehofft, sie würde sich irgendwas reinschieben."  Jordi nimmt einen Schluck warmes Bier, Marke Estrella, aus dem kleinen Plastikbecher. Marc sieht unruhig um sich. "Schon, irgendwie ne härtete Show, oder? Aber Mann, die Frau ist der Hammer. Mir ist ganz heiß in der Hose… Alter, schau mal die Brünette, die da auf dem Typen tanzt! Oh Mann, hat der einen kleinen Schwanz! Haha! Mit so einem Mini würde ich doch nie auf die Bühne gehen!"
"Moment, wofür stehen die hier alle an?"
"Keine Ahnung. Tschuldigung, wofür steht ihr hier alle an?"
Ein kleiner Mann mit einer eckigen, teuer aussehenden Brille dreht sich etwas genervt um. "Für die Schlammschlacht. Fängt um Viertel nach Acht an."
"Was, echt? Komm, Jordi, das will ich sehen."
"Ist aber die Show für Schwule." Der Mann mit der teuren Brille grinst etwas hämisch.
"Was? Bäh! Marc, du hast sie doch nicht mehr alle. Schnell weg hier. Was gibt’s denn da vorne?"
"Lesbenshow!"

Es ist merkwürdig still im Saal. Leise Musik. Niemand pfeift oder schreit. Die beiden blonden Frauen küssen sich, ziehen sich gegenseitig ihre Bikinis aus, reiben sich mit Öl ein. Keiner macht einen Laut. Gesichter werden röter. Die beiden legen sich auf das Podest, und eine nimmt einen großen, transparenten Plastikdildo zur Hand. Dreißig Männer starren mit offenen Mündern.

"Weißt du was, es sind überraschend viele Frauen da, finde ich," sage ich zu Alice. "Wenn man bedenkt, dass das Angebot auf Männer ausgerichtet ist… ich meine, welche Frau törnt es schon an, die Vagina einer anderen im Großformat zu sehen? Und darum geht es hier ja wohl."
"Ich glaube, es geht eher darum, dass die großen Produktionsfirmen sich selbst und ihre Stars vermarkten."
"Die Frauen, die ich sehe, scheinen alle mit ihrem Partner da zu sein. Oder hast du noch Mädels wie uns gesehen, die alleine unterwegs sind."
"Hmmm… nein."
"Warum also sind sie hier?"
"Vielleicht um zu lernen, was Männern gefällt. Um ihrem Freund eine Freude zu machen."
"Und keine der Frauen hat eine Kamera in der Hand."
"Außer dir."
"Verdammt, jetzt hält mich hier jeder für homosexuell."

Auf einer anderen Bühne moderiert ein überraschend normal aussehendes Mädchen mit Hängebusen und Cellulitis einen Masturbationswettbewerb, der als Pornocasting getarnt ist. Eigentlich sabotiert sie ihn eher, denn sie bringt das Publikum mit ihrer gespielten Langeweile so zum Lachen, dass die drei Unglücklichen mit den heruntergelassenen Hosen immer mehr in sich zusammenschrumpften. Reine Schikane. Etwas gelangweilt drehe ich mich weg. Nach einer Stunde auf dem Festival bin ich schon total übersättigt, wie nach einem Samstagnachmittag im Kaufhaus.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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