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Die Leute sind schuld

Vor 25 Jahren brannten in der Hamburger Hafenstraße Autos und Barrikaden. Der Kampf um die Häuser ist gewonnen. Und der andere?

Es ist kein Wunder, dass um diesen Ort gekämpft wurde. Wer aus den bunt bemalten Häusern schaut, blickt weit über die Kräne und Container hinaus. Bis zur Elbe sind es nur wenige Meter. Die Gegend ist beliebt, nicht zuletzt wegen der Kleinstadtidylle, die sich an lauen Sommerabenden in der Hafenstraße breit macht.

Doch der Rauch hat sich noch nicht lange verzogen. Die Menschen, die hier wohnen, haben Gesetze gebrochen und zu Gewalt gegriffen, um diesen Platz zu verteidigen. Sie haben ihren Kampf zu einem Kampf gegen den Kapitalismus und Konformitätsdruck gemacht. 1997 haben sie gewonnen. Die Stadt hat den Straßenzug an die selbstverwaltete Genossenschaft "Alternativen am Elbufer" verkauft.

Es hat sich vieles verändert seitdem. Sie hätten das 25. Jubiläum der Besetzung triumphierend feiern können, den Tag zu einem Jahrestag des Sieges über das System stilisieren. Vielleicht wäre das nicht einmal überzogen. Doch nichts dergleichen. "Sich erinnern, treffen, feiern" kündigt ein Plakat den Geburtstag an. "Hier kannst du alte Freundinnen und Freunde wiedersehen" steht auf den Flugblättern. Komm "hören und sehen, wie andere erlebt haben, wie alles anfing". Siegesgeheul klingt anders.

Freitag Abend, der FC St. Pauli hat 2:0 gegen die Amateure von Bayer Leverkusen gewonnen. Auf der Reeperbahn rollt Polizei an. Blaulicht, Mannschaftswagen, Kampfmonturen. In einer Seitenstraße hat sich vor einiger Zeit ein Händler für Neonazimarken wie "Thor Steinar" eingerichtet. Immer wieder wird der Laden seitdem angegriffen. Die Polizei sperrt die Straße ab und drängt die Menge zurück. Die schreit "A-C-A-B", "All cops are bastards" und "Scheiß Bullen!". Nur aus der Hafenstraße ist niemand zu sehen. Die meisten Demonstranten sind nicht älter als achtzehn und betrunken. Viele tragen Gel in den Haaren und haben ihre Fußballschals an ihre Handgelenke gebunden.

In der Hafenstraße wird unterdessen gefeiert. Es herrscht gesprächige Fröhlichkeit. Von den Auseinandersetzungen fünf Minuten entfernt hat kaum jemand etwas mitbekommen. Auf der Balduintreppe stehen und sitzen Leute mit Bierflaschen in der Hand. Überall gibt es überraschte Wiedersehen, alte Geschichten, Schulterklopfer. Oben an der Straßenecke sitzen etwa zwanzig junge Punks, sie trinken und lachen. Dazwischen junge Menschen, die aussehen, als wären sie aus einer H&M-Filiale gesprungen. Grasgeruch liegt in der Luft, die Musik aus der Punkkneipe "Onkel Otto" wird lauter. Hin und wieder zerschellt eine Flasche auf dem Boden.

Die Treppe runter geht es zum Ahoi-Club, aus dem laute Beats dringen. Auf einer winzigen Bühne spielt eine vierköpfige Band. Der Raum ist in sechs mal sechs Meter rotes Licht getaucht. "Wer hat Baschi gesehen?", fragt ein Zettel an der Wand nach einem Hund. "Die Leute sind schuld" ruft der Sänger ins Mikrofon, gegenüber auf Barhockern hocken fünf ältere Männer. Sie lächeln mit halbgeschlossenen Augen, halten ihre Bierflaschen im Schoß und wippen leicht mit dem Kopf im Takt. Vor ihnen tanzt eine Frau um die fünfzig einen armeschwenkenden, in sich versunkenen Tanz.

In der Hafenstraße lebt es sich heute besser als zur Zeit der Barrikaden. Die Genossenschaft steckt viel Energie in die Verschönerung der Umgebung. Alle Häuser sind mittlerweile saniert. Einige Meter entfernt, am Pinnasberg, haben sie einen Neubau hingestellt, der Werber neidisch machen könnte, zumindest von außen: Blick aufs Wasser, viel Glas, Balkone. "Und oben haben wir einen riesigen Gemeinschaftsraum", erzählt eine aus dem Kollektiv stolz. Auch das Projekt "Park Fiction", eine vielbenutzte öffentliche Liegewiese, kam mit Hilfe der Genossenschaft zustande. In wenigen Jahren wird eine der letzten Lücken in der Häuserkette verschwunden sein, wenn ein weiterer Neubau mit Hafenblick hinzu kommt. Natürlich sollen nur WGs diese Häuser bewohnen. Das Areal ist eine harmonische Wohnadresse. Wer hier nachts an die Wand pinkelt, bekommt Ärger.

Sich treffen, sich erinnern. In der "Volxküche" halten die Veteranen am nächsten Tag das "Erzähl-Café II" ab. Heute und morgen soll in drei Blöcken berichtet werden, über die Kollisionen mit der Staatsmacht, die Organisation. Über Alles. Der urige Raum ist zum Bersten voll, die Alten sitzen in der Mitte. Sie sind es, die reden, weil die Jungen nicht viel fragen. Eine Frau mit langen schwarzgrauen Haaren erzählt, dass damals nicht jeder bereit war, Gewalt anzuwenden. "Aber auch die haben dann gesehen, dass wir die Polizei stoppen mussten. Und das dann okay gefunden", sagt sie lächelnd.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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