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Älter werden

Die Leute sind schuld

TEIL 2

Später fragt jemand, wovon die Materialien für die Verbarrikadierungen bezahlt wurden? "Ist das eine ernste Frage? Geklaut haben wir das!", ruft ein Mann mit grauem Kraushaar, der auf einem Stuhl hockt. Alle lachen. Gibt es einen Erfahrungsaustausch mit Initiativen von heute, zum Beispiel den Aktivisten gegen Studiengebühren? Außer sporadischen persönlichen Kontakten sei da leider nicht viel. Jemand aus dem Kreis der Älteren sagt, dass das vielleicht wichtig wäre. Nicken. Jemand anderes schlägt zehn Minuten Pause vor.

"Die von früher kannst du an einer Hand abzählen. Ich mach aber alleine schon zwei Finger", sagt ein fülliger Hafenstraßenbewohner. Schlimm sei das nicht, er mag hier alle, auch die neuen. Lange erzählt er vom Zusammenhalt der Menschen in der Hafenstraße. "Hier ist noch keiner verhungert! In den ganzen 25 Jahren nicht." Er nippt an seinem Bier. "Politisch sind wir schon noch, ja". Wie sich das genau zeigt, sagt er nicht. Das Gespräch verebbt plötzlich, wenn es auf die Politik kommt. Ist das wichtige Geheimhaltung? Ist es Attitüde? Nach wie vor dürfen nur Bekannte der Bewohner in die Hafenstraße ziehen. "Schlechte Erfahrungen mit Spitzeln", sagt ein anderer.

Das Weltgeschehen hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht beruhigt, in Deutschland lodern soziale Konflikte stärker als früher. Doch so sehr man sucht, zu aktuellen politischen Themen gibt es hier kaum Bezug. Im "Störtebeker", einer Rockkneipe, hängen Fotos in Schwarz-Weiß. Sie zeigen das Bismarck-Denkmal am Hafen, dem sie eine Helmut-Kohl-Maske übergezogen haben. Oder Aufrufe zur Solidarität mit Palästina. Bunte Bilder gibt es keine.

"Links sein hat heute viel mit Subkultur und den entsprechenden Codes zu tun" sagt Frank, ein Bewohner der ersten Stunde. "Sicher, da ist auch was Spießiges dabei." Frank hat seine Sonnenbrille ins ergraute Haar gesteckt. Er verwaltet heute die Gebäude. Auf seinem orangefarbenenem T-Shirt steht www.euromayday.org - ein europaweiter linker Aktionstag. Franks Gesicht ist nüchtern, ohne große Regung. "Im Kern", sagt er, "war die Hafenstraßenbesetzung ja auch unpolitisch." Das andere habe sich später ergeben.

Am Abend findet im Ahoi-Club eine "Pappel-Soli-Party" statt. 50 Cent von jedem Bier sind für den Erhalt einer Pappel, die 1987 in der Straße geplanzt wurde. Wie es scheint, hat es harte Diskussionen um den Baum gegeben. "Wir brauchen 12.000 Euro", sagt der junge Barmann mit ernstem Gesicht. Die Veranstalter haben den Raum mit Blättern und Tarnnetzen dekoriert. Zur gleichen Zeit läuft auf der Treppe vor dem Ahoi eine Dokumentation über die Besetzung des "Gruner+Jahr"-Gebäudes. "Das waren noch Zeiten" sagt einer, der zuschaut.

Lars ist Besitzer eines Cafés und eines Restaurants direkt neben den Hafenstraßenhäusern. "Anfangs fand ich es erschreckend, dass ich diesen Prozess selbst mit ausgelöst habe", sagt er, und meint damit die Vereinnahmung des Viertels durch die Mittelschicht. In seine Läden kommen Leute, denen es gut geht. Sie tragen Anzüge und sitzen auf schwarzen Ledersofas, wenn sie erschöpft sind. Viele unpolitische Leute. Lars ist Mitte dreißig und spricht mit Bedacht, man merkt ihm an, dass er sich jeden Satz überlegt. Anfangs war der Empfang kühl, doch inzwischen hat er sich mit den Hafenstraßenbewohnern arrangiert. "Das ist inzwischen ja mehr ein Wohnprojekt. Die haben eher mit ihrem Apparat zu tun."

"Vielleicht ist die Hafenstraße einfach ein Spiegelbild der Gesellschaft", sagt er, und ist trotzdem glücklich über seine Nachbarn. "Ohne die Hafenstraße würde es meine Läden nicht geben."

Auch so:

Anleitung zum Spießertum - In 8 Schritten

St. Pauli im Regen - Spaziergang rund um die Hafenstraße

Drüber reden? - Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert

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