Mexico
"Du Mörder"
Seit Monaten rebelliert die Bevölkerung in der mexikanischen Stadt Oaxaca gegen die Regierung. Seitdem klar ist, dass der konservative Felipe Calderón Präsident wird, droht der Konflikt zu eskalieren.
Anne Fromm hat sich in Oaxaca umgeschaut
Schon bei der Ankunft am Bahnhof von Oaxaca wird deutlich, dass hier Ausnahmezustand herrscht. Graffitis an den Hauswänden sind wie stumme Schreie der Wut. "Ruiz, du Mörder" brüllen sie ins Stadtbild.
Ulises Ruiz Ortiz, das ist der unbeliebte Gouverneur des Bundesstaats südlich von Mexiko City. Die Bevölkerung von Oaxaca will ihn zum Rücktritt zwingen, seit zwei Monaten werden die Proteste immer heftiger. Verwaltungsgebäude, Fernseh- und Radiostationen sind besetzt, Ortiz hat sich in einem Hotel verschanzt, und die Polizei weigert sich, gegen die Demonstranten vorzugehen. Dafür schickt die Regierung manchmal Spezialtruppen – zumindest halten die Menschen Oaxaca die bewaffneten Banden dafür.
Männer mit Feuerwaffen inmitten der Strassenhändler und spielenden Kinder sind inzwischen ein alltägliches Bild. Mitte August erreichten die Proteste dann ihren Höhepunkt. Die Stadt wurde abgeriegelt, es gab kein rein- oder rauskommen mehr. Die Protestierenden blieben trotz der Gewaltausbrüche, bei denen es auch 2 Todesopfer gab, weitgehend friedlich. Mittlerweile haben sich die Milizen wieder zurückgezogen, doch der Konflikt ist noch lange nicht entschärft.
Im Gegenteil – es ist neuer Sprengstoff hinzugekommen. Im Juli sollten die Mexikaner einen neuen Präsidenten wählen, es war eine der heikelsten Wahlen der letzten Jahre. Weltweit hatten Experten und Diplomaten damit gerechnet, dass der Linkskandidat Andrés Manuel López Obrador Nachfolger des aktuellen Präsidenten Vincente Fox werden würde. Mexiko hätte damit im lateinamerikanischen Trend zu linken Regierungen gelegen. Auch die Umfrageergebnisse deuteten lange Zeit zweifelsfrei auf eine sozialistische Regierung unter Obrador hin.
Doch bei der Stimmauszählung kam es zu Unregelmässigkeiten. Zwei Monate lang war unklar, wer das Land ab Dezember regieren sollte, bis ein Wahlgericht zu Beginn der Woche offiziell den Rechtskonservativen Felipe Calderón offiziell zum Präsidenten bestimmte. Ein Urteil, das zwar zu erwarten war – in Oaxaca aber zur schlimmsten aller Befürchtungen gehörte. Zwar sind Ruiz Ortiz und der designierte Präsident nicht einmal in der selben Partei, doch die Enttäuschung über Obradors Wahlschlappe sitzt tief. Zudem hat Calderón schon mehrfach angekündigt, dass er mit bewaffneten Truppen gegen die Aufständischen vorgehen will.
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