Neubaublocks statt Semperoper; Eisenstein und Pet Shop Boys - Dresden bringt seine Geschichte und Identität in einem Sinfoniekonzert zusammen. Und ja, das ist spannend
Dresden feiert sein 800. Stadtjubiläum. Doch anstatt sich in ihrer Geschichte zu erschöpfen, beweist die Stadt Mut zur Hässlichkeit. Das Kulturprogramm setzt auf Pop statt Barock und gibt sich bürgernah – so bürgernah, dass das örtliche Sinfonie-Orchester gleich auf den Balkonen eines Dresdner Plattenbaus musiziert. Sven Helbig ist einer der Organisatoren des Events – er hat die Pet Shop Boys in die Stadt geholt, die mit den Dresdner Sinfonikern einen selbst geschriebenen Soundtrack zu
Sergej Eisensteins Stummfilmklassiker "Panzerkreuzer Potemkin"
aufführen.
Wenn man heute Abend nach Dresden kommt, was kann man da sehen und hören?
Fangen wir mit dem Sehen an. Erstmal sieht man einen unsanierten DDR-Wohnblock auf der
Prager Straße
, der Ende der 60er im Sinne der Nachkriegsmoderne gebaut wurde. Der ist die Kulisse. Auf diesen unsanierten Wohnblock projizieren wir "Panzerkreuzer Potemkin", den Stummfilm von Sergej Eisenstein. Und im Vorfeld einen kurzen Film, bei dem es vor allem um
die Zeit um 1989 geht, als auf der Prager Straße Teile der friedlichen Revolution stattfanden
. Das sieht man.
Was hört man dazu?
Man hört Musik, die die Pet Shop Boys komponiert haben und die von Thorsten Rasch für Orchester instrumentiert wurde. Diese wird mit den Dresdner Sinfonikern und den Pet Shop Boys aufgeführt, wobei – das sieht man auch – 42 Orchestermusiker auf den Balkonen des Wohnblocks verteilt sind. Die Pet Shop Boys spielen vom Dach aus.
Wer hatte ursprünglich die Idee zu diesem Projekt?
Die Idee, einen neuen Soundtrack zu Panzerkreuzer Potemkin zu machen, kam vom Leiter des
Institute of Contemporary Arts
in London. Sie basiert auf dem Wunsch Eisensteins, dass jede Generation ihre eigene Musik zu dem Film schreibt. Der Gedanke wurde dann an die Pet Shop Boys herangetragen. Mit ihrer Musik sind sie Symbol einer Kultur der letzten 20 Jahre und dadurch eine Art musikalisches Sprachrohr für die letzten zwei, drei Generationen.
Wie kamen dann die Dresdner Sinfoniker in die Mischung?
Das dauerte noch eine Weile. Erstmal brauchten die jemanden, der die Musik für das Orchester arrangiert. Neil Tennant von den Pet Shop Boys hat die Rezension einer Platte gelesen, die ich produziert habe; mit Thorsten Rasch als Komponisten. Die Rezension hat ihm so gut gefallen, dass er sich die Platte bestellt hat. Die Platte wiederum hat ihm so gut gefallen, dass er mir eine E-Mail geschrieben hat. Daraufhin bin ich nach London geflogen, habe mir die Ideen zu dem Projekt angehört, und die Musik, die es bis dahin gab. Dann habe mich mit Thorsten besprochen und wir haben entschieden, das Projekt zu machen.
Warum wird ausgerechnet dieses Projekt während der 800-Jahre-Feier der Stadt Dresden aufgeführt?
Das ging den umgekehrten Weg: Die Stadt Dresden wollte etwas mit den Sinfonikern machen, die nicht nur für klassische Musik stehen. Wir haben darüber nachgedacht und dann beschlossen, dass wir nicht auf das alte barocke Dresden setzen, sondern einen modernen, jugendlicheren Ansatz suchen. Das Thema "1989" war da einer der ersten Gedanken. Dresden wurde ja zerbombt und wieder aufgebaut, und das nicht immer schön. Die Stadt ist mehr als nur die
Semperoper
.
Anzeige
Ist da ein gewisser Mut zur Hässlichkeit im Rahmen der Feierlichkeit?