Mich langweilt es, dass Design immer billig sein soll
Konstantin Grcic zählt zu den besten Industriedesignern der Welt. In seinem Münchner Büro entwickelt er Möbel, Leuchten und andere Alltagsprodukte für große europäische Hersteller. Die für Flos entworfene Leuchte Mayday steht inzwischen im Museum of Modern Art in New York, und seit März zeigt das Münchner Haus der Kunst eine Werkschau. Der Zuender traf den Designer auf der Design Annual-Messe, Frankfurt, die sich in diesem Jahr mit dem Thema Urbanität befasst
Fragen von Susanne Mayer*
Herr Grcic, ihr Beitrag zum Thema Urbanität sind Kleinstfahrräder in Tokio. Was hat Sie zu diesem Projekt inspiriert?
Ich habe diese Fahrräder auf meinen Japanreisen entdeckt und sie haben mich fasziniert. So etwas gibt es hier nicht und ich wollte unbedingt eins kaufen und mit nach Deutschland bringen. Diese kleinen Räder ermöglichen eine ganz andere Form der Nutzung: Sie sind einfach, handlich und für kürzere Strecken gemacht. Unsere Fahrräder haben 24 Gänge, eine unglaubliche Ausstattung und für längere Strecken konzipiert - sie gehen gar nicht auf den eigentlichen Gebrauch in der Stadt ein. Ich fand es interessant, dass das Design der Räder sich in Tokio aus den städtischen Umständen ergeben hat.
Würde Sie es reizen, mal ein Fahrrad zu entwerfen?
Ja, das fände ich sehr interessant. Ich fahre wahnsinnig gerne und viel Fahrrad, aber ich lege eher kurze Strecken zurück, von zu Hause ins Büro zum Beispiel. Dafür habe ich ein viel zu schnelles Fahrrad und im Grunde ist es auch zu wertvoll, als dass man es auf der Straße stehen lässt.
Wie gehen Sie an ein neues Projekt heran, sei es, Sie bekommen einen Auftrag oder wollen eine eigene Ideen verwirklichen?
Projekte entstehen nur aus dem Dialog. Was will der Auftraggeber, welche Zielgruppe soll angesprochen werden? Natürlich ist auch entscheidend, wie erfahren ich mit dem Thema bin. Auf Fragen dieser Art muss man einfache Antworten finden, diese Antworten suggerieren aber im Grunde noch überhaupt kein Design. Sie fokussieren die Möglichkeiten oder schränken diese ein. Vor allem die Einschränkungen sind maßgeblich. Hat ein Designer zu viele Möglichkeiten macht ihn das hilflos und verloren. Erst wenn die einfachen Antworten gefunden sind, kommen die eigenen Motive ins Spiel. Da habe ich eine große Freiheit und die ist mir auch sehr wichtig.
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Berufsanfänger haben diese Freiheit aber normalerweise noch nicht. Da bestimmt doch eher der Auftraggeber.
Nein, das glaube ich nicht. Gerade die jungen Designer müssen ja Aufmerksamkeit schaffen indem sie zeigen, was sie denken. Ich glaube, dass die Industrie genau das haben will. Ein Designer, der sich nur als Dienstleister oder Auftragerfüller sieht, wird sich schwer tun.
Einerseits wollen Industriedesigner ja die Masse ansprechen und andererseits sind Designprodukte oft sehr teuer.
Ich glaube, die Vorstellung, dass man für die Masse entwirft, stimmt so nicht mehr. Die Masse kann man gar nicht erreichen. Der Versuch Design zu entwerfen, das alle anspricht, ist in der Vergangenheit ein großer Fehler gewesen. Die Lösungen, die exklusiv sind, also nur auf bestimmte Leute passen und andere ausschließen, sind letztendlich besser. Das bedeutet aber nicht, dass Design elitär und teuer sein muss, das kommt manchmal mit hinzu. Mich langweilt es, dass Design immer billig sein soll.
Welche Rolle spielt Bequemlichkeit bei ihren Entwürfen?
Das ist kompliziert. Ein Beispiel: Das Polstermöbel Chaos, das ich für die Münchner Firma ClassiCon entworfen habe, entspricht nicht dem konventionellen Begriff der Bequemlichkeit. Dieser Begriff ist so relativ, es kommt immer auf die Situationen an steht das Möbelstück zu Hause oder in einem öffentlichen Raum - und natürlich auch darauf, ob man angespannt oder relaxt ist oder wie lange man sitzen will.
Nehmen wir den von ihnen entworfene Chair_One als Beispiel. Der Stuhl aus Druckgussaluminium ist ein Klassiker, aber Lust zum Verweilen macht er nicht gerade.
*Susanne Mayer ist freie Journalistin in Frankfurt am Main und nicht verwandt mit der ZEIT-Redakteurin Dr. Susanne Mayer