Musik
"Industrial ist das nächste große Ding!"
Mit Pink Solidism, dem elektronischen Remake des Doors-Klassikers Riders on the Storm wurde Yonderboi zur mittelgroßen Nummer. Dann folgten drei Jahre Tanz um Tantiemen mit Anwälten und Managern. Und die Osterweiterung der EU. Seitdem ist alles anders.
Boris Fust
In Budapest ist das Leben wie überall. Man isst bei Mc Donald’s, schämt sich dafür und tut es trotzdem immer wieder. Man trifft sich bei Starbucks, wo der Kaffee genau so teuer ist wie in Peking. Und wenn man abends tanzen gehen möchte, sprüht man sich vielleicht mit einem Wässerchen ein, dass man zuvor bei Douglas gekauft hat.
László Fogarasis Welt ist das nicht. Er kommt aus den Wäldern der ungarischen Grafschaft Somogy und zog erst nach Budapest, als er Yonderboi wurde. Jetzt hat mit Splendid Isolation den Nachfolger seines Debüts Shallow and Profound produziert und sitzt in irgendeinem Hotel in Berlin-Mitte.
"Die Szene ist tot", sagt Yonderboi und trinkt einen Schluck stilles Wasser. "Als ich vor einiger Zeit nach Budapest zog, war da richtig was los. Nach meiner ersten Platte gehörte ich zu den angesagten Underground-Protagonisten. Ich habe fast jede Nacht als DJ aufgelegt. Ständig passierte etwas Neues, es gab unglaublich viel zu entdecken." Ein wenig irritiert sei er trotzdem gewesen: die große Stadt, die vielen Menschen, der Erlebnishunger. Die große Stadt mit den vielen Menschen ist immer noch da.
Yonderboi ist kein Dance-Veteran, der von der guten alten Zeit schwadroniert. Er ist erst 24 und hat andere Probleme gehabt als Langeweile durch Überfütterung. "Recht bald brach meine komplette Infrastruktur zusammen. Ich war bis dahin so naiv zu glauben, ich bräuchte mich nur auf Musik die Musik konzentrieren. Dann geriet alles plötzlich zu einem Bürojob: Ich musste mich ausschließlich um Telefonlisten kümmern." Die Zusammenarbeit mit Tom Holkenborg, der als Junkie XL Elvis-Songs mit dem Sound von Dragster-Rennen kreuzt und damit auch schon mal für Produkte von Turnschuhfirmen wirbt (A little less Conversation), geriet ins Stocken. Yonderboi zog sich zurück in seine Ein-Zimmer-Wohnung, die zum Entsetzen gelegentlicher Besucherinnen mit Kabelsalat und DX-7-Synthesizern vollgestopft ist. Gemütlich machen kann man es sich dort nur allein. Aber Yonderboi liebt die selbstgewählte Isolation.
"Zum ersten Mal habe ich den Begriff Splendid Isolation im Geschichtsunterricht gehört. Auf einer poetischen Ebene gefiel er mir sofort. Ich liebe daran das Paradoxe: Abschottung ist gefährlich. Trotzdem lässt sich beim Rückzug in die Innerlichkeit viel entdecken." Also keine Referenz an die außenpolitische Linie Großbritannien im 19. Jahrhundert – Kolonien in Übersee ja, Kontakt zu Kontinentaleuropa nein? Yonderboi muss lachen: "In gewisser Weise wurde ich mein eigenes Großbritannien. Der Draht nach Los Angeles zu Junkie XL glühte, mit dem Geschehen um mich herum wollte ich aber nichts zu tun haben."
Weiterlesen im 2. Teil »