Kurz bevor mein Honorar überwiesen wurde, ging mein Verlag pleite. Grotesk: Die Druckerei, der Grossist, der Buchhandel: alle verdienen Geld an meinen Büchern – nur ich nicht.
Die Kolumne von Selim Özdogan
Üblicherweise wird in Verlagen halbjährlich mit dem Autor abgerechnet, man bekommt in der Regel drei Monate nach Ende des Halbjahres eine Abrechnung, auf der steht, wieviele Bücher im fraglichen Zeitraum verkauft worden sind und wie hoch der eigene Anteil ist, den man bald überwiesen bekommt, so ungefähr sechs Wochen nachdem man die Abrechnung erhalten hat.
Meiner letzten Abrechnung vom Aufbau-Verlag war zu entnehmen, dass ich im zweiten Halbjahr 2007 1200 Euro mit dem Verkauf von Büchern verdient habe. Nicht die Welt, aber es hat in den letzten Jahren noch nie so ausgesehen, als würde ich reich werden.
Etwa drei Wochen nachdem die Abrechnung im Briefkasten war, meldete der Verlag Insolvenz an. Wie es dazu genau kam, ist sehr verwickelt und eine Geschichte für sich.
Es wurde ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der die ganze Situation insgesamt positiv bewertet, man hofft, den Verlag erhalten zu können. Die Mitarbeiter bekommen weiterhin ihr Gehalt, vom Arbeitsamt, soweit ich weiß. Meine 1200 Tacken hingegen kann ich mir – zumindest vorläufig - abschminken.
Nicht schön, aber auch nicht weiter tragisch. Die Mitarbeiter bekommen zwar Geld, aber ihre Existenz ist gefährdet. Ich hingegen bin mein eigener Arbeitgeber, eine gute Position. Dass ich zur Zeit drei Manuskripte hier habe, für die sich kein Verlag findet, ist gerade auch ein anderes Thema.
Bei Neuauflagen von Büchern bekommt man Belege. Als kürzlich zwei Exemplare von einem meiner Romane kamen, ging mir auf, wie grotesk diese Situation eigentlich ist: Das Buch verkauft sich so gut, dass man eine Neuauflage macht. Der Verlag verdient Geld, die Druckerei verdient Geld, der Grossist verdient Geld, der Buchhändler verdient Geld, nur der Autor geht leer aus.
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Das wird sich ändern, sobald der Verlag verkauft ist, hoffe ich, aber darum geht es nicht. Man schreibt Bücher und auf dem Weg dieser Bücher zum Leser ist man das seltsamerweise schwächste Glied in der Kette.
Naja, auch ein reißender Fluß entspringt ja meistens einer Quelle, in der man kaum ertrinken könnte.