MySpace
Reden statt Adden
Zum Bier treffen? Das war früher. Im Zeitalter von Web 2.0 gilt: Zeig mir deine MySpace-Seite und ich sage Dir, wie cool Du bist. Simone Deckner will nicht mehr mitspielen
Es reicht. Meine Geduld ist am Ende. Es muss jetzt endlich etwas passieren! Was mich umtreibt?
MySpace
spielt in meinem Vorgarten und ich krieg’ die nicht mehr weg. Hilfe!
Seit eineinhalb Jahren leide ich nun schon unter der schlimmsten aller "Freundschafts-Communitys". Warum ich nicht früher gekommen bin, Herr Doktor? Weil ich anfangs noch dachte: nettes Spielzeug. Ich hörte Musik, flirtete mit einem Briten, veröffentlichte Aktfotos meiner Exfreunde – was man halt so macht. Nach drei Wochen war das Bonbon gelutscht. Dachte ich.
Aber Pustekuchen: Das Karussell dreht sich und dreht sich und der dicke Mann, der den Aus-Knopf bedient, ist eingeschlafen. Mittlerweile hat es sich bei wirklich allen herumgesprochen, dass man eine Seite bei MySpace haben muss, um dazuzugehören. Ich bekomme schon lange keine Telefonnummern mehr zugesteckt. Stattdessen höre ich immer öfter den Satz "Geh’ doch einfach auf meine Myspace-Seite". Das muss aufhören. Es gibt nur eine Lösung. Ich plädiere für eine Abschaffung der virtuellen Pseudo-Freundschaftscliquen und eine Besinnung auf fast vergessene Kommunikationsformen – gemeinsam Saufen etwa.
Hier vier gute Gründe dafür:
1. MySpace verzerrt die Realität
Auf MySpace gibt es nur tolle Leute. Leute, die irrsinnig beliebt sind. Alle haben Hunderte von Freunden und "adden" täglich neue. Für Laien: Als "adden" bezeichnet man das Hinzufügen eines Freundesprofils zu seiner MySpace-Seite. Viele dieser tollen Leute sind mit noch tolleren, berühmten Leuten befreundet. Mit Lindsay Lohan oder
Mando Diao
. Und selbst, wenn sie nicht berühmt sind – alle Freunde der Freunde sehen toll, unergründlich, melancholisch und sexy aus.
Bei den Fotos lassen sich deutlich zwei Strömungen erkennen: Die Gruppe der Indie-Nerds bevorzugt Schwarz-Weiß-Fotos. Im melancholischen Blick an die Zimmerdecke schwingt die ganze Tragik eines gemarterten Daseins in Hannover mit. Lachen bei Todesstrafe verboten. Die Gruppe der einfach Gestrickten zeigt lieber was sie hat: Bikinis, Muskelshirts, grenzdebiles Grinsen, eindeutige Blicke.
Die Masse macht’s bei MySpace. Zeig’ mir, wie viele Freunde Du auf Deiner Seite hast und ich sage Dir, wie viel Du Wert bist. Aber Freundschaft kann man nicht in Zahlen messen. Viel hilft nicht immer viel. Wer von euren 167 Freunden wäre da, wenn ihr nachts um drei Uhr durchs Telefon heult? Wo wären dann eure "Top-Freunde", die mit den klangvollen Namen, auf die ihr so irrsinnig stolz seid?
2. MySpace nervt ohne Ende
Auf MySpace sind alle irre lässig. Deutsche sind hier so derart höflich, dass einem ganz bange wird. Überall wird fürs "adden" gedankt. Besonders Lustige deutschen das englische Wort für "hinzufügen" ein und bedanken sich brav fürs "Addieren" oder die "Addung".
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