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Generationen

Die Jugend von heute

Den ganzen Tag im Internet, Flatrate-Saufen, Drogen nehmen - Bei den jungen Menschen läuft was schief, sagen viele Erwachsene. Welch ein Unsinn

Später lesen: Nicos Antwort auf diesen Artikel »

Mit meinen 40 Jahren wäre ich eigentlich längst alt genug, um über die "Jugend von heute" zu schimpfen. Tu ich aber nicht. Ich finde die Jugend gut. Schließlich bin ich ja von Berufs wegen selbst noch ein Jugendlicher.

Ja, der Kavka ist ein Berufsjugendlicher, das höre und lese ich durchaus häufiger, vor allem in den letzten Tagen. Kein Wunder, zumal ich die Steilvorlage dazu mit meinem Auftritt bei Maybrit Illner selbst geliefert habe. Thema der Show: "Glotzen statt klotzen – was läuft schief bei der Jugend von heute?". Über die Sendung selbst ist an anderer Stelle genug geschrieben worden ( sueddeutsche.de , spiegel.de , faz.net und so weiter), von daher lasse ich das Drumherum weg und bleibe einfach beim Thema.

Eines vorweg: Die Jugend darf prinzipiell immer alles, und wenn darunter nicht Dinge wären, die Erwachsene komplett irritieren, würde etwas eklatant falsch laufen.

Dieser Sachverhalt existiert wahrscheinlich schon so lange, wie es die Menschheit gibt. Als Beleg dafür wird mancherorts gerne diese 3000 Jahre alte babylonische Inschrift zitiert, in der ganz übel auf der Jugend rumgehackt wird. Und obwohl diese Worte schon vor so langer Zeit in Stein gemeißelt wurden, bekommt Generation für Generation sie nahezu eins zu eins um die Ohren gehauen.

Meine eigene Jugend (und ich meine jetzt die reale, nicht die berufliche) hielt für meine Eltern auch so manches Rätsel parat. Warum sieht unser Sohn so komisch aus? Warum hört er diese merkwürdige Musik? Warum wählt er eine ganz andere Partei? In allen Fällen hätte ich antworten können: Weil ich euer Kind bin.

Nun waren meine Eltern natürlich nicht ursächlich dafür verantwortlich, dass ich ein grün wählender Gothic war, aber wegdiskutieren kann man nicht, dass es seit Urzeiten die Erwachsenenwelt ist, die "solche" Jugendliche hervorbringt und prägt.

Mir ging es damals um Abgrenzung und Auflehnung, es war beileibe nicht persönlich gemeint, denn ich liebte meine Eltern ohne Wenn und Aber. Doch so ganz sah ich eben nicht ein, warum ich mit 16 schon so aussehen, denken und leben sollte wie sie.

Es war in den achtziger Jahren auch gar nicht so schwer, sich abzugrenzen, man musste nur ein wenig an sich rumstylen, andere Musik als Schlager hören und zwischendurch mal Sachen wie "Null Bock", "Petting statt Pershing" oder "Atomkraft - nein danke" irgendwo hinschmieren.

Für die heute junge Generation ist das nicht mehr ganz so einfach. Wenn die 16-jährige Tochter mit einem irrwitzigen Färbe- und Asymetrieszenario auf dem Kopf vom Friseur kommt, fällt Mutti nicht mehr wie früher in Ohnmacht, sondern besteht darauf, beim nächsten Termin auch mit von der Partie sein zu dürfen. Und nach dem Haare schneiden kann man ja noch direkt gemeinsam bei H&M einkaufen gehen.

Ein ähnliches Bild herrscht bei Vater und Sohn, wenn es mal wieder darum geht, wer jetzt die cooleren Sneakers trägt. Da bleibt dem Jugendlichen als letzter Ausweg dann oft nichts anderes übrig, als Bushido zu hören, damit es wenigstens irgendwas gibt, das die Eltern jetzt nicht ganz so super finden.

Politische Auflehnung findet nur noch am äußersten rechten und linken Rand statt, aber das ist keine Abgrenzung gegenüber der Erwachsenenwelt, sondern eine Ablehnung von Demokratie.

Was also tun wenn du jung bist? Wohin mit dem Druck, wie damit umgehen?

Mein subjektives Empfinden ist, dass die jetzige Generation mit ungleich mehr Druck klarkommen muss, als das in meiner Jugend der Fall war. Zukunfts- und Versagensängste waren zwar auch in der achtzigern ein Thema, jedoch längst nicht in dem Maße, wie es heutzutage der Fall ist. Dazu kommen die soziale Auslese, der Markenwahn, die Wertigkeit nach Größe des Geldbeutels und viele andere Dinge, die es bis dato noch nicht in dieser Intensität gab.

Ihnen begegnen die jungen Menschen kaum mehr mit Renitenz und Rebellion, sondern mit Gehorsam, Anpassung und erhöhter Leistungsbereitschaft. Sie verstärken den Druck auf sich selbst sogar noch zusätzlich, wenn es darum geht, unter ihren Altersgenossen die Nase vorn zu haben.

In so mancher Jugendstudie wird diese Leistungsbereitschaft, sowie im weiteren Zuge das Streben nach Sicherheit und traditionellen Werten, als rundum positiv dargestellt, dabei wird leider oft übersehen, wie dramatisch es sein kann, wenn Jugendliche an dieser Aufgabe scheitern.

Dann wird dichtgemacht, und hinter verschlossener Tür geht es zum Flatratesaufen, Drogen nehmen, Killerspiele zocken und Leute verprügeln – um jetzt mal in einem Atemzug sämtliche negativen Klischees zu bemühen, die man ebenso mit der heutigen Jugend in Verbindung bringt.

Sicher, Alkoholismus unter Jugendlichen ist erwiesenermaßen ein Problem. Aber es ist kein exklusives Problem der Jugend, sondern eines dieser Gesellschaft. Solange Papa sich ein Bier nach dem anderen aufmacht, die Hälfte des Werbeblocks bei Fußballspielen aus Bierspots besteht und Primetimeshows von Alcopopsherstellern gesponsert werden, fällt es jungen Menschen schwer, Alkohol als nicht rechtmäßiges Mittel zum Druckabbau und Spaßgewinn zu akzeptieren. Gibt es überall und jederzeit zu kaufen und kostet auch nicht wirklich mehr als Bionade. Kann also so verkehrt nicht sein. Und Drogen? Pah, Mama hat doch schließlich auch mal gekifft, außerdem kommen Pete Doherty und Amy Winehouse dafür doch auch nicht ins Gefängnis.

Wie reagieren die Erwachsenen darauf? Indem sie natürlich mal wieder alles verbieten wollen, am besten auch noch gleich das komplette Internet und sämtliche Videospiele, wenn man schon mal dabei ist, weil man davon ja einsam, gestört und gewalttätig wird. Verbote wären jedoch nichts anderes als die laue Bekämpfung von Symptomen unter jeglichem Verzicht auf Ursachenforschung.

Ich kenne sie auch nicht, die Ursachen, aber vielleicht sollte man mal bei unserem Bildungssystem anfangen. Oder ist es etwa nicht so, dass jemand, der mit 11 Jahren in die Hauptschule kommt, schon sehr früh einen Verliererstempel auf der Stirn trägt, den er nie wieder los wird? Wie soll man unter diesen Vorzeichen auch nur ein Fünkchen Optimismus entwickeln? Für die Statistik ist man dann irgendwann, wenn es ganz schlecht läuft, einer dieser "jugendlichen Gewalttäter aus bildungsfernen Schichten".

Und apropos: Wie ist er denn, der Umgang mit Gewalt in unserer Gesellschaft, wenn die Nachrichten beim Privatfernsehen zu den grausamsten Dingen gehören, die man auf einem Bildschirm gucken kann?

Nächster Punkt: Die Jugend und das Internet. Im Herbst letzten Jahres wurden die Ergebnisse einer Jugendstudie von MTV und Microsoft ( PDF-Datei ) veröffentlicht, aus der unter anderem hervorging, dass jeder deutsche Jugendliche 35 Freunde hat, von denen 11 reine Online-Freunde sind, die er persönlich noch nie getroffen hat.

Das Entsetzen in der Erwachsenenwelt war groß. Der Journalist Peter Hahne kippte in seiner Kolumne in der Bild am Sonntag fast vom Stuhl: Ja gehen den die jungen Leuten nicht mehr raus und spielen miteinander?! Man muss jemand doch beim Kommunizieren in die Augen gucken!

Herrje. Auf so einen Scheiß können auch nur die Alten kommen. Erstens: Ohne die 11 Online-Freunde hätte der Jugendliche dann eben nur 24 "echte". Insofern sind die 11 "unechten" als Bonus zu sehen. Zweitens: Was vollkommen außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass Jugendliche das Internet eben nicht als Zeitvernichtungsmaschine und Desozialisierungsinstrument nutzen, sondern unter anderem ganz gezielt zur Kommunikation, und zwar als Ergänzung jener verklärten von Angesicht zu Angesicht, nicht als Ersatz für diese. Von den Möglichkeiten, die das Netz in kreativer Hinsicht bietet, wollen wir gar nicht reden.

Was man der Jugend außerdem vorwirft, ist ihre Politikverdrossenheit. Ist auch Quatsch und wurde bestimmt von Parteipolitikern lanciert. Auf die bezogen stimmt das sogar, aber daran sind sie selbst schuld. Was den etablierten Parteien also bleibt, ist der Neid auf Umweltschutzgruppen, Friedensinitiativen und Menschenrechtsgruppen, die sich seitens Jugendlicher regen Zuspruchs erfreuen.

Irgendwann stellte Maybrit Illner in eingangs erwähnter Sendung dann fest, dass bei der „heutigen Jugend offenbar doch gar nicht so viel falsch läuft“. Stimmt, und zwar genau so viel oder wenig wie bei den letzten und allen folgenden Generationen.

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