Berühmtsein
Holt mich hier raus
TEIL 2
Es sind die kleinen Dinge im Alltag, die das Ganze manchmal so absurd erscheinen lassen. Neulich hatte ich mich beispielsweise mal wieder dazu durchgerungen, bei H&M einzukaufen. Es waren neue Socken, T-Shirts und Unterhosen fällig. Ich entdeckte dann noch eine Jeans, die ich schnell anprobieren wollte. Als ich aus der Umkleide kam, um draußen vor einem größeren Spiegel zu gucken, wie das Beinkleid saß, stand da eine komplette Schulklasse mit Fotohandys im Anschlag. Es existieren nun also zwanzig Bilder von mir in Socken, mit einer zu langen, schlecht sitzenden Hose, auf denen Elftklässler den Arm um mich legen.
Oder letzte Woche, bei Rossmann an der Kasse. Nur dieser eine Satz: "Guck mal, der Kavka kauft Klopapier!" Oder bei Karstadt: "Schau mal, der MTV-Typ kauft Champagner. Typisch!" War nicht für mich, ich bekomme nämlich von dem Gesöff Sodbrennen. Aber das konnte der Kommentator ja nicht wissen. Oder letztes Wochenende in Stuttgart: Ich hab da bei einer MTV-Veranstaltung aufgelegt und am Ende nur noch bunte Punkte gesehen, weil heutzutage jeder seine Digicam mit Megablitz dabei hat. Die Leute, die es gut meinen, zeigen mir dann immer den gerade getätigten Schnappschuss. Früher hab ich manchmal noch darum gebeten, ein weiteres Bild zu machen, vielleicht eins, auf dem ich die Augen nicht nur halboffen habe. Mittlerweile ist es mir egal, wobei ich mir trotzdem nicht ausmalen will, wie viele Fotos von mir existieren, die mich total durchgerockt um 6 Uhr morgens in einem Club zeigen. Andererseits: Ist ja nur menschlich. Dennoch kann ich in so einem Fall nicht wie viele andere sagen: Macht nichts, mich kennt ja keiner. Dabei stimmt das eigentlich. Aber sobald man im Fernsehen ist, denken die Leute, sie würden einen kennen und alles machen dürfen, was man mit einem Bekannten eben so macht, also anfassen, in den Arm nehmen, küssen, zutexten, das volle Programm eben. Da stehe ich aber genau so wenig drauf wie vorm Club in der Schlange von ganz hinten nach vorne gewunken zu werden, oder beim Italiener einen Grappa aufs Haus zu bekommen, während die Gäste am Nebentisch leer ausgehen.
Manche meiner Kollegen brauchen Szenarien wie die gerade beschriebenen regelrecht, das ist so etwas wie ein Lebenselixier für sie. Für mich ist es eher Gift. Gut, dass alles so schnelllebig geworden ist. So wird sich spätestens ein Jahr nach meiner letzten Sendung keine Sau mehr daran erinnern, dass ich jemals im Fernsehen war, keiner wird mich mehr erkennen.
Aber so lange ich so viel Freude an meinem eigentlichen Tun habe, fallen die negativen Begleiterscheinungen zumindest an guten Tagen gar nicht so sehr ins Gewicht.
Klopapier kann man ja mittlerweile auch online bestellen.
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