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Quentin Tarantino

Das Aspirin-Gespräch

TEIL 2

Das sind sie. Mike fährt zuerst einen 69er Chevy Nova, später dann einen 70er Dodge Charger. Die Mädchen in der zweiten Hälfte haben einer 70er Dodge Challenger. Am Ende gibt es diese Schlacht zwischen den beiden besten Dodge-Modellen der Muscle-Car-Ära. Der weiße Dodge Challenger der Mädchen ist auch einer der Stars aus einem der besten Autoverfolgungsfilme aus eben dieser Zeit, nämlich " Vanishing Point ", und genau aus diesem Grund wollen in zwei der Mädchen auch unbedingt haben. Ein Typ in ihrem Nest verkauft einen, und sie arrangieren eine Probefahrt, um einmal Kowalskis Auto zu steuern.

Es fühlt sich also fast so an, als würde damit Kowalkis Karre in meinem Film eine Gastrolle spielen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass wenn man Barry Newman als Kowalski in " Vanishing Point " so sieht, man nie an was anderes als an diesen harten Typen und seine derbe Karre denkt. Männlicher geht´s nicht. Im Schneideraum stellte ich bei der Verfolgungsjagd allerdings fest, dass dieses Auto mit einem Mädchen am Steuer zunehmend feminine Züge bekam.

Die Szene, die du ansprichst, in der Mike mit seinem Dodge den der Mädchen von hinten rammt, wirkt so, als hätten zwei Autos miteinander Sex.

Hm, ich würde es eher als eine Art Boxkampf bezeichnen.

Na ja, ich finde schon, dass es da ein wenig anal zugeht.

Oho! Hm, jetzt wo du´s sagst... Ja, du hast zu 100 Prozent recht. In der Verfolgungsjagd am Ende gibt es definitiv Elemente einer Knastvergewaltigung. Alle Karren sind am Schluss komplette Wracks.

Gut, dass diesmal keine von ihnen aus deinem Privatbesitz war, im Gegensatz zu dem roten 64er Chevy Malibu in "Pulp Fiction".

Korrekt, der gehörte mir. Eigentlich ist es gar nicht mein Ding, solche Autoklassiker wie die in meinen Filmen auch zu besitzen. Aus irgendeinem Grund habe ich damals aber dennoch diesen zugegebenermaßen sehr schönen Chevy gekauft, obwohl ich ihn gar nicht wollte. Um ehrlich zu sein: Mir ging der Schlitten sehr schnell total auf den Sack. Also hab ich mir gedacht, dass ich ihn fü r "Pulp Fiction" verwende und ihn dabei schrotte, um ihn endlich loszuwerden. Aber irgendwie überlebte er den Dreh. Ich versuchte schließlich, ihn an jemanden aus der Crew zu verkaufen, aber niemand wollte das Ding, weil keiner sich vorstellen konnte, dass ich so ein schönes Auto nicht selbst behalten wollte, so nach dem Motto "Da ist doch bestimmt ´ne Macke dran!". Vor ein paar Jahren konnte ich diesen Pickel am Arsch endlich abstoßen.

Was fährst du jetzt?

Bis vor anderthalb Jahren fuhr ich ein und denselben Volvo. Er war runtergerockt, er war verbeult, aber ich fuhr dieses Stück Scheiße gerne. Er war unverwüstlich, du fühltest dich sicher damit, dir war alles egal. Es ist generell prima, ein Auto zu fahren, das einem total am Arsch vorbei geht. Ich schramme im Parkhaus an ´ner Säule entlang, na und?! Ich ramme beim Zurücksetzen einen Poller? Darauf geschissen! Wenn die Karre jemand klaut? Mir doch egal, herzlichen Glückwunsch auch, jedes andere Auto auf der Straße wäre eine bessere Wahl gewesen, du Deppdieb! Jeder andere Fahrzeugbesitzer hat mehr zu verlieren als ich. 2006 hab ich ihn verschrottet, seitdem macht es mir auch wieder Spaß, besondere Autos zu haben. Mir gehört jetzt zum Beispiel der " Pussy Wagon" aus Kill Bill.

Echt? Dezent.

Na klar, Mann, ich lasse doch nicht extra so ein Ding anfertigen, um es dann abzugeben. Ich stehe vielleicht nicht so auf Autos, aber ich stehe unheimlich darauf, die Memorabilia aus meinen eigenen Filmen zu horten. Ich sammle den Scheiß für mein eigenes kleines Museum, das ich irgendwann mal eröffnen werde, vermutlich direkt neben dem Roy Rogers Museum in Branson, Missouri. Gut, jedenfalls habe ich jetzt den "Pussy Wagon", auch wenn ich ihn nicht dazu benutze, den Sunset Strip auf- und abzufahren und dabei bekloppt rauszuwinken. Aber es macht schon Spaß, wenn man mit ein paar Freunden, darunter auch gerne ein paar Mädchen, Samstagnacht ausgeht, es so langsam Sonntagmorgen wird und die ganze Truppe dann im "Pussy Wagon" vorfährt, um frühstücken zu gehen.

Zurück zum Film. Es gibt bei den Autoverfolgungsjagden keine einzige computergenerierte Szene, richtig?

Keine einzige. Ich bin ohnehin kein Fan davon, auch wenn ich einsehe, dass es bei manchen Produktionen etwas bringt. Aber von allem übermäßigen Gebrauch, den man in den letzten Jahren von Computeranimation machte, finde ich jenen bei Autoverfolgungsjagden und Autounfällen am wenigsten tolerierbar. Ich bin in den 70ern mit Autoverfolgungsjagd- und Crashfilmen aufgewachsen. Computeranimation macht bei diesem Genre überhaupt keinen Sinn, vor allem, weil man über 20 Jahre lang Leute hatte, die das eisenhart in echt durchgezogen haben.

Das splitternde Glas und verbeulte Blech waren Tatsachen. In diesen Autos saßen Menschen, die ihr Leben riskierten, und genau der Umstand machte doch den Thrill dieser Szenen aus. Wenn so etwas jetzt am Computer gebastelt wird, verstehe ich das nicht, es lässt mich total kalt. In den letzten zehn Jahren hat mich keine einzige Autoverfolgungsjagd beeindruckt.

Für meine stellte ich selbst gewisse Regeln auf. Erstens: Dadurch, dass ich Zoe Bell, die ja eigentlich Stuntfrau ist, als Darstellerin hatte, war gleichzeitig gewährleistet, dass sie alle ihre Stunts selbst macht, ohne Computer, ohne Double. Zweitens: Computeranimation kam überhaupt nicht in Frage. Wenn eine Szene real nicht machbar war, wurde sie eben gestrichen. Drittens: Es sollte auch keine Tricks hinsichtlich der Filmgeschwindigkeit geben, so von wegen langsam fahren und das Ganze im Schnitt schneller machen. Wir fuhren in allen Szenen original zwischen 100 und 160 km/h.

Sind dir die Stuntleute in Hollywood dankbar, dass du ihren Berufsstand rettest?

Ich sag mal so: Die wissen das alles sehr zu schätzen. Zum einen, weil sie merken, dass ich ein großer Verehrer ihres Talents, ihrer Kunst und ihres Mutes bin, zum anderen, weil sie mich als Typen kennen, der keine Lust auf Computerkram hat. Ich hatte beispielsweise für " Kill Bill " eine Verfolgungsszene vorgesehen, von der ich zwar wusste, wie sie am Ende aussehen soll, jedoch nicht, wie das Ganze umgesetzt werden kann. Die Stuntleute wussten es auch nicht. Es gab also nur die Möglichkeit, es einfach zu versuchen, um sich so langsam zum gewünschten Ergebnis vorzuarbeiten. Und glaub mir, es erfordert einigen Mut, Stunts auf Verdacht zu machen, ohne genau zu wissen, ob und wie es funktioniert.

Du hast Zoe Bell bereits erwähnt. Sie gehört zu einer der beiden Mädchencliquen. Mädchen, die sich viel und gerne unterhalten. Dabei klingen sie sehr authentisch. Woher weißt du so genau, wie Mädchen untereinander reden?

Das ist mein Job. Ich bin doch schließlich auch der weiße Typ, der die Erinnerungen einer Geisha niedergeschrieben habe. Es gehört zu meinen wichtigsten Aufgaben, Menschen zu erforschen. Oder, um´s kurz zu machen: Ich bin ein guter Autor. In diesem Fall kommt noch dazu, dass ich viele weibliche Freunde habe. Ich hänge regelmäßig mit verschiedenen Mädchencliquen ab, höre ihnen so beim Reden zu und bringe das dann zu Papier. Als Autor brauchst du vor allem ein gutes Gedächtnis. Das habe ich. Manchmal liegen Sachen jahrelang unbenutzt in meinem Gehirn herum. Irgendwann kommt dann der Tag, an dem ich sie gebrauchen kann und wieder raushole.

War es immer schon so, dass du mehr mit Frauen als mit Typen befreundet warst?

Eigentlich nicht. Das trifft nur für die letzten drei Jahre zu. Wobei es sich so verhält, dass wenn ich mit Frauen abhänge, ich immer gleich mit einer Gruppe von Frauen unterwegs bin, während meine Männerfreundschaften eher so ein 1:1-Ding sind, also ich und der andere Typ und keine komplette Bowling- oder Sauftruppe.

Du selbst spielst im Film einen Barmann, der für die Frauen ein eher ein Kumpeltyp ist und von ihnen nicht als sexuell attraktiv empfunden wird.

Moment, sprichst du jetzt von dir oder mir!? Nein, Quatsch... Tatsächlich ist mein Charakter verheiratet mit der Kellnerin des Ladens, ich kann also die Mädchen nicht angraben. Außerdem: Wer sagt denn, dass sie mich nicht sexuell attraktiv finden? Es gibt zwar keine Szene im Film, in der sie auf mich masturbieren, was aber nicht bedeutet, dass sie es nicht doch tun. Und weißt du was: Sie masturbieren auf mich! Ich bin der verdammte Autor und ich sage dir, sie masturbieren auf mich! Ich habe mich lediglich dazu entschlossen, das nicht zu zeigen.

Die Typen im Film scheinen den Frauen nicht gewachsen. Außer Mike, zumindest auf seine Art.

Richtig. Eigentlich kommentiert der Film auch nicht unwesentlich das Rollenverhalten von Typen heutzutage. Die Frauen sind um so viel stärker als sie. Ich wollte damit die zunehmende Feminisierung junger Männer aufzeigen, zumindest derer in Amerika.

Ist die Tatsache, dass du Frauen in diesem Film so viel Stärke einräumst, auch ein wenig als Entschuldigung für deine eigenen dreckigen Männerfantasien zu verstehen?

Weiterlesen im 3. Teil »


 
 



 

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