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Drittes Reich

Fünf Mal Adolf

Ein historisches Epos über den Nationalsozialismus? Der fünfbändige Manga Adolf von Osamu Tezuka behauptet gar nicht, das zu sein

Eigentlich eine Idee, die man zuallererst dem deutschen Fernsehen zutraut: Könnte nicht Adolf Hitler selbst Jude gewesen sein? Und wäre nicht der Hass auf seine Herkunft der Grund für seinen mörderischen Antisemitismus gewesen? Läse man eine entsprechende Ankündigung im Feuilleton, man wüsste Bescheid, welche Bedürfnisse hier befriedigt werden. Da ist erstens das, was die Forschung „sekundären Antisemitismus“ nennt: Ein Judenhass nicht trotz, sondern gerade wegen Auschwitz, dessen spezieller Kick im Vorgang liegt, Täter und Opfer zu vertauschen. Zweitens der Wunsch, den Massenmord zu enthistorisieren und einzig als Produkt einer persönlichen Störung zu begreifen. Und schließlich drittens die Freude an – ach! – zerrissenen, mit sich selbst hadernden Charakteren, zumal wenn sie so geschichtsträchtig sind. Keine schöne Mischung.

Nun sind die fünf Bände, die jetzt bei Carlsen unter dem Titel Adolf vorliegen, kein Produkt einer deutschen Drehbuchwerkstatt sondern eine späte Übersetzung des Manga-Klassikers Adolf ni tsugu (Botschaft für Adolf) von Osamu Tezuka. Tezuka, der 1989 gestorben ist, gilt in Japan als Großmeister des Genres, auch wegen seiner im Ausland populären Astro-Boy-Comics aus den fünfziger und sechziger Jahren. Adolf erschien in Japan in den achtziger Jahren und wurde schon damals, wie im Nachwort der deutschen Ausgabe berichtet wird, „als besonderer Manga betrachtet und im Handel nicht ausschließlich über die Comic-Regale, sondern auch in der Belletristik-Abteilung verkauft.“ Das kann stimmen oder nicht, der Wunsch, auch in Deutschland die Freunde „guter Bücher“ zu erreichen, ist problemlos zwischen den Zeilen zu lesen. Für den hiesigen Manga-Markt mit seinem pubertierenden Publikum mag Tezukas Comic tatsächlich nur bedingt attraktiv sein. Umso attraktiver für den notorisch geschichtssüchtigen Buchmarkt.

Man kann es dem Verlag nicht verübeln, dass er den Manga so präsentiert, wie der Markt es verlangt: Schließlich sind zumindest die Medien fixiert auf Comics, die sich an so genannten großen historischen und politischen Themen versuchen, und der Nationalsozialismus ist zweifellos das größte. Am besten freilich, es wird auch gleich noch irgendein angebliches „Tabu“ gebrochen. Doch notfalls tut es auch das bloße Staunen, dass so etwas überhaupt in Comics thematisiert wird. Als Figuren der Populärkultur sind die NS-Schergen seit eh und je allgegenwärtig. SS-Uniform, Hitlerbärtchen und Hakenkreuz gehören international zum Schauerrepertoire aller Unterhaltungsgenres, eben auch von Comics. Und keineswegs hängt immer so viel Geschichtspolitik daran wie im deutschen Fernsehen.

Dass diese Einschränkung auch für Tezukas Adolf-Comic gilt, bemerkt man schnell, wenn man ihn liest. Die Vorstellung, Hitler könnte Jude sein, dient zum Beispiel nur als Anlass für immer aberwitzigere Handlungsverstrickungen um ein Dokument, das dies beweisen soll. Und daran wiederum hängen Mord und Totschlag, Familiendramen und internationale Spionageverstrickungen. Überhaupt ist Hitler – einer von drei Adolfs, die der Titel meint – eine Randgestalt, und weder die jüdische Herkunft noch die Entwicklung der gegen Ende immer offenkundiger wahnsinnig werdenden Hitler-Figur wirklich handlungstragend. Auf den Gedanken, hier nach historischer Plausibilität zu fragen, oder irgendeine Form literarisch-politischer Aufklärungsabsicht zu vermuten, wird man schwerlich kommen. Und allerspätestens, wenn man sieht, wie Tezuka jüdische und christliche Glaubenspraxis durcheinander wirft, weiß man, was man sich von diesem Manga nicht erwarten sollte.

Dafür bietet er eine angenehme Mischung aus Spionagethriller, Historiendrama, Familienstory und Liebesgeschichte, die nach einer absonderlichen U-Boot-Episode auch noch mit einem nahöstlichen Nachspiel ausgestattet ist. Und nebenbei liefert Tezuka dann doch noch – ganz ohne politisches Konzept, wie es scheint – eine bemerkenswerte Darstellung des Nationalsozialismus, nämlich aus der Täterperspektive. Indem er einen seiner Zentralcharaktere, den Japandeutschen Adolf Kaufmann , als Schüler einer NS-Eliteschule, schließlich als begeisterten Hitler-Anhänger zeigt, gelingt ihm, was hierzulande so selten zu sehen oder zu lesen ist: Keine Analyse, immerhin aber die Darstellung einer Faszination und einer Besessenheit. Und zwar nicht die Besessenheit eines einzelnen, eines wahnsinnigen oder mit seiner Herkunft zaudernden Fanatikers, sondern eines – wie man wohl sagt – „ganz normalen“ Jungen. Spätestens da wird auch die kritische Erwartung gebrochen, und der Comic liefert, ohne wohl darauf angelegt zu sein, historische Erkenntnis. Diese mag nicht neu sein, immerhin aber so kompliziert, dass sie vor zwanzig Jahren Bundestagspräsident Jenninger das Amt gekostet hat .

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