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Siebziger Jahre

Alles ganz harmlos

Comics und Politik? Spätestens seit den siebziger Jahren geht das gut zusammen. Der Zuender stellt die wichtigsten Klassiker vor. Diese Woche Ellen Forneys Geschichten über eine Kindheit zwischen Kiffen und FKK

Eine merkwürdige Zeit, diese siebziger Jahre. Von der rebellischen Aufbruchstimmung der späten Sechziger blieb für viele kaum mehr als ein vages Gefühl von Anti-Bürgerlichkeit und – nun ja – Spiritualität. Standen Begriffe wie „Alternativkultur“, „Psychedelik“ oder „sexuelle Revolution“ kurzfristig für den Versuch, radikal anders zu denken, wahrzunehmen und zusammen zu leben, blieb davon kaum mehr übrig als FKK-Urlaub, Esoterikbücher und der friedliche Feierabendjoint. Und dessen Genuss sollte, bitte schön, dann auch legalisiert werden. Carlos Castaneda , Rohkost und Pink Floyd – wenn’s hart auf hart kam, war auch ein Trip zum indischen Guru drin, aber das blieb eher die Ausnahme. Schließlich war es zu Hause auf dem Flokati auch ganz schön.

Natürlich gab es Abstufungen, je nach dem Grad der Politisierung. Und nicht zuletzt danach, wo man sich befand. Zum Beispiel in einer Kleinstadt irgendwo in New Jersey. Dort spielt das autobiografische Comic I was seven in ’75 von Ellen Forney . Die Comiczeichnerin, die mittlerweile in Seattle lebt, hält in diesen Zeitungsstrips Szenen einer durchweg glücklichen Kindheit in den Siebzigern fest. Sie sind unter dem Titel Monkey Food (1999) auch gesammelt bei Fantagraphics erschienen.

Gleich in der ersten Episode geht es um eine Potty Party , die die Eltern zur Einweihung der Gästetoilette schmeißen. Ein Wortspiel mit „pot“ (Haschisch) und „potty“ (Klo), das dekorativ umgesetzt wird: Hier eine Puppen-Badewanne als Aschenbecher, dort eine Miniaturtoilette als Jointhalter, ein Klostopfer als Brezelspender usw. Gewöhnungsbedürftiger Humor, zweifellos, aber die Beobachtung ist sehr präzise. Hier werden keine Ekstasen und kein wildes Hippietum geschildert, es ist kein romantischer Rückblick. Forney zeigt einfach eine etwas andere Themenparty. Klar, es wird gehörig gekifft, und in den Nebenräumen darf ein bisschen freie Liebe geübt werden. Doch an der Harmlosigkeit der ganzen Szene bleibt kein Zweifel. Eigentlich passiert nichts Wilderes, als dass sich Ellens Bruder Matt bei den Vorbereitungen stößt und zum Nähen zum Arzt muss.

Forneys Geschichten sind teilweise hinreißend komisch: Die freudige Ankündigung der Eltern etwa, man fahre ins Nudisten-Camp, um am FKK-Strand mal so richtig natürlich beisammen zu sein, löst bei den Kindern nicht nur Skepsis aus. Sondern auch die Frage, was man eigentlich in den Koffer packen soll – vom Teddybär einmal abgesehen? Aber sobald man sich ans Nacktsein gewöhnt hat, ist es doch wie immer: Mücken, stinkende Gemeinschaftsklos, angekokelte Marshmallows, muffige Schlafsäcke. Nur um die Wäsche braucht sich niemand zu kümmern. Dafür gibt es hinterher große Sorgen, wenn die Kinder vorlaut ihren Freunden erzählen, wo sie im Urlaub waren. Man will es sich ja mit niemandem verderben.

Schlecht auch, wenn die Babysitterin etwas von den Haschvorräten im Schlafzimmer mitgehen lässt – und dann von ihrem Vater, einem Polizisten, erwischt wird. Dann heißt es cool bleiben und Verhör und Predigt durchstehen. Passieren wird ohnehin nichts.

Diese Mischung aus genauer Beobachtung und liebevoller Ironie zeichnet Forneys Comic aus. Sie hebt ihn angenehm ab von der Aufgeregtheit und Besserwisserei, mit der hierzulande gern über die sechziger und siebziger Jahre geurteilt wird. Ebenso wenig bedient Forney den Wunsch nach einer Romantisierung der Siebziger als wilde, wilde Zeit mit Bomben, LSD-Trips und allem, was noch so dazu gehört. Grafisch ist der Comic recht einfach gehalten: dicke Striche, reduzierte Figuren, wenig Hintergrund – und Schraffuren, die so hingehuscht wirken, dass man harte Arbeit dahinter vermuten darf. Damit zeigt sich Forney auch optisch als Kind der Siebziger. Kein Wunder, dass ihre deutlich in der Tradition der US-Underground-Comics stehenden Strips sich in der Alternativpresse vom Seattler Stranger bis zu den City Pages in Minneapolis großer Beliebtheit erfreuen.

In solchen – meist wöchentlich erscheinenden – populären Stadtblättern sind neben dem autobiografischen Comic auch Forneys How-To s erschienen, Gebrauchsanweisungen für den Alltag: Wie man Hasch raucht, ohne erwischt zu werden. Was man seinen Kindern über Drogen sagen sollte (und wie man sie daran hindert, es gleich weiterzuerzählen). Aber eben auch, wie man sich im Katastrophenfall zu verhalten hat – zumindest nach Ansicht der ultrareaktionären Militia of Montana . Wie die auf den ersten Blick schlichten Erinnerungen in I was seven in ’75 , sind auch diese großformatigen Seiten bemerkenswert genaue Abbilder der Anpassungsleistungen und Neurosen einer (mehr oder minder) liberalen Gesellschaft.

Auch schön:

Rezension der vorherigen Woche - Pop trifft Porno bei Alfred von Meysenbug


 
 



 

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