So wohnt dem ganzen ein besonderer Charme bei, der trotz wilder Bühnenshow eine romantische Nostalgie entstehen lässt, die auf den Rummelplätzen der Republik verloren gegangen ist. Während moderne Musiker sich gerne ausgefalleneren Lichteffekten und Visuals bedienen, verzichten Bands wie Gogol Bordello und Bonaparte ganz darauf und gehen vom digitalen wieder zum analogen Schauspiel zurück. "Ich mag diese Orte, die von der Zeit vergessen wurden. Aber ich mag vor allem die Charakteren eines Zirkus", sagt Bonaparte-Sänger Tobias Jundt, "die gauklerischen Helden hinter der Schminke, diese eigenwilligen Gestalten, die sich mit Haut und Haaren einem Leben in Leidenschaft verschrieben haben."
Auffallend ist bei beiden Bands auch die ungewöhnlich große Anzahl an Mitgliedern. Jeder auf der Bühne kann Individualist sein, ohne sich dem Gesamtbild unterordnen zu müssen. Dadurch entsteht eine Lebendigkeit, die ein auf Leinwand projiziertes Visual nicht erzeugen kann. Die ständige Bewegung während des Auftrittes in Kombination mit der Musik hebt Bonaparte und Gogol Bordello von dem statischen Bild einer klassischen Band ab. Das macht das Konzerterlebnis so reizvoll und einzigartig. Ganz normal für Eugene Hütz: "Man muss sich nicht anstrengen, anders zu sein! Das ist keine schwere Aufgabe. Schau dir diese schlimme Popmusik um dich herum an. Wenn du genügend Soul hast, ermöglicht dir das automatisch, herauszustechen."
Auch die Großen des Showgeschäfts können sich für die Zirkus-Idee begeistern. Das in 2006 veröffentlichte Erfolgsalbum von Mia. heißt "Zirkus", auf dem Cover zum neuen Album von Take That ("The Circus) balancieren die Engländer auf einem Drahtseil. Und Britney Spears lässt sich für ihre neue CD (die ebenfalls "Circus" heißen soll) im Akrobatenkostüm abbilden. Pop, so scheint es, ist also auf dem besten Weg zurück in die Manege.