kultur  
 
     
//ZUENDER//
 
 


//Zitate-Blog//

Zitat des Tages

Es wird viel gesagt, wenn der Tag lang ist. Und es gibt viele lange Tage »

 

//Kochblog//

Rezeptor

Unser Topf soll schöner werden? Das Zuender-Kochblog hilft »

 

//Spielen//

Wir wollen Spaß

Kommt ins Bälleparadies – alle Spiele vom Zuender gibt es hier »

 

//Newsletter//

Post von Zuenders

Was gibt es neues aus der Redaktion? Unser Newsletter informiert Dich an jedem ersten Donnerstag im Monat. Hier anmelden »

 
//ZUENDER//
Seiten: « 1 | 2 | 3 »

Kurzgeschichte

Suchen unter Buchen

TEIL 2

Pilze-Heiner, nennen sie ihn im Ort. Ein bezopfter Ein-Meter-fünf-und-neunzig-Hüne, der mit museumsreifen VW-Bus samt eingebauter Schlafcouch durch die Gegend fährt, gerne mitten im Wald übernachtet, sparsam lebt, regelmäßig kämpferische Leserbriefe an die Lokalzeitung schreibt und seine Kleidung bis zum letzen Fetzen austrägt. "Weißt Du was ich mache, wenn die wieder mal einen auf mich angesetzt haben?"

Du schüttelst den Kopf. "Ich sage: Passen Sie auf, ich bin radioaktiv verseucht, hemmungsloser Pilzesser, Sie wissen schon, die Tschernobyl-Regenfälle 1986, Caesium, das baut sich erst nach Jahrzehnten ab, also kommen Sie mir besser nicht zu nahe." - "Und das funktioniert?" - "Und wie!" Süßlicher Geruch streift Deine Nase. Onkel Heiners Markenzeichen. Um Wasser zu sparen, duscht er nur einmal die Woche.

Du trottest schweigend hinter ihm her. Äste knacken, Vögel zwitschern. Nach fünf Minuten dreht sich Onkel Heiner um. "Weißt Du noch, was Du mich damals gefragt hast?" Er hebt seine Stimme, und während aus seinen tief in den Höhlen verborgenen Augen spöttische Blitze zucken, sagt er: "Onkel Heiner, bist Du ein Penner? Warum gehst Du nicht zur Arbeit?" - "Weiß ich noch." Du grinst verlegen. "Alle haben komisch geguckt, ich als Sechsjähriger fand die Frage völlig normal …" - " … und ich habe Dir versprochen, dass Du die Antwort bekommst, wenn Du erwachsen bist." Onkel Heiner robbt unter ein Gebüsch, bis nur noch die abgewetzten Schuhe hervorragen. Dann sein Erfolgsbrummen. "Schau Dir das an!"

Du kriechst zu ihm und siehst, wie Onkel Heiner an einem Pilz mit dickem weißen Stiel und rotem Hut schnüffelt. "Steinpilz oder Gallenröhrling?" Er streckt den Zeigefinger aus. "Die sehen sich täuschend ähnlich. Weißt Du noch, wie man den Unterschied erkennt?" Als Kind warst Du Dank Onkel Heiner der größte Pilzexperte der Schule. Immer wenn Du nach der halbstündigen Zugfahrt von Deiner Mutter am Bahnhof abgeholt worden bist, hast Du Dich gefühlt wie nach einer Amazonas-Expedition. Ein Großstadtkind mit einem Bastkorb voller Waldpilze, die es haargenau bestimmen konnte. Geruch, Stielgröße, Hutform, Lamellen, Röhren, Geschmack. "Keine Ahnung. … Steinpilz?" Er schneidet mit dem Messer ein kleines Stück ab und steckt es in den Mund. "Gallenröhrling!" Er verzieht das Gesicht und spuckt aus. "Der hätte uns das komplette Abendessen vermiest." Eigentlich hast Du nicht geplant, zum Essen zu bleiben, doch bevor Du etwas sagen kannst, ist Onkel Heiner längst aufgesprungen und weitergezogen.

Als Ihr das Buchenwäldchen erreicht, hetzt er von Baum zu Baum. "Hier irgendwo muss es sein. Sie hat mir die Stelle genau beschrieben. Ihr müsst unter Buchen suchen, hat sie gesagt." - "Wann?" - "Letzte Woche, zwei Tage vor ihrem Tod." Onkel Heiner sieht den Zweifel in Deinen Augen. "Du glaubst mir nicht, Junge?! Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe ihr jeden Tag den Hintern abgewischt, sie gebadet, ihr Gebiss geputzt, sie zum Arzt gefahren." Er fährt das Volumen seiner Stimme nach oben: "Meine Liebe hat sie am Leben erhalten. Im Krankenhaus oder im Heim wäre sie Jahre vorher gestorben." Wie ein Besessener schlägt er sich durchs Unterholz.

"Als Kind habe ich hier massenweise Pfifferlinge gefunden." Er hält inne, fährt sich durch den silbernen Haarzopf. "Mutter hat von einem kleinen Graben gesprochen." - "Onkel Heiner, wenn wir hier jeden Quadratzentimeter absuchen, brauchen wir noch …" Onkel Heiner schreit. "Wir müssen weitersuchen!" Einen Augenblick später legt er Dir beschwichtigend die Hand auf den Arm. "Junge, ich habe ihr versprochen, die Pfifferlinge zu finden. Und ich habe ihr auch versprochen, sie gemeinsam mit Dir zu finden. Das fand sie gut."

Weiterlesen im 3. Teil »


 
 



 

//  Startseite //  // Politik // Kultur // Leben // Schwerpunkte // Bildergalerien //  // Adam Green // Redaktionsblog // Rezeptor // Markus Kavka // Selim Oezdogan // Sonntagstexte //  // Zitat des Tages // Spiele //  //
//  IMPRESSUM //

 

ZUM SEITENANFANG