Bald baten de Vries auch Behinderten-Verbände, ihre Einrichtung zu besuchen. Zahlreiche Briefe und Anrufe erreichten sie. Mit dem Pädagogen Lothar Sandfort entwickelte sie darauf im Jahre 2000 die Sexualassistenz.
Das Konzept ihrer Tätigkeit erklärt sie so: "Um Sexualassistenz auszuüben, muss ich geistig und körperlich behinderte Menschen als sexuelle Wesen annehmen. Dafür brauche ich ein positives Menschenbild und das Wissen über meine eigenen Grenzen." Während der Treffen gibt es daher klare Regeln: Geschlechtsverkehr und orale Kontakte werden nicht angeboten, Masturbation ist aber möglich.
Triebbefriedigung ist allerdings nicht das oberste Ziel. Nina de Vries will behinderten Menschen eher sinnliche und erotische Erfahrungen ermöglichen.
Vor fünf Jahren lernte die Sexualassistentin zum Beispiel eine 32-jährige Autistin kennen, die gerade erst aus der Psychiatrie entlassen wurde. Diese Frau im Genitalbereich zu berühren, kam für de Vries nicht in Frage.
Die Autistin brauchte aber Sexualassistenz, da sie beim Versuch zu masturbieren, regelmäßig scheiterte. Sie war unausgeglichen und neigte zu autoaggressivem Verhalten. Zudem ließ die 32-jährige kaum jemanden an sich heran.
Nina de Vries massierte daher zunächst nur den Rücken der Frau. Als die Autistin über Schreie signalisierte, dass ihr das gefiel, berührte de Vries sie auch am Bauch. Nach mehreren Treffen ging sie mit ihr dann nackt in die Wanne. Zusammen machten die beiden Frauen Töne, streichelten und umarmten sich. Die Autistin lernte sich so selbst zu befriedigen. Und wurde wieder zufriedener.
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Mit solchen Klienten zu arbeiten ist für de Vries eine Herausforderung. Jede Massagestunde kann anders verlaufen. Allerdings, sagt sie, gebe es viele schöne Erfahrungen: "Geistig Behinderte sind sehr authentisch und können sich nicht verstellen. Das macht den Beruf spannend."