Etwa 1000 Attac-Mitglieder aus ganz Europa trafen sich vom 1. bis zum 6. August in Saarbrücken zur European Summer University. Sie wollten über neue Strategien beraten und sich besser untereinander vernetzen
Die Globalisierung sehen inzwischen ja alle kritisch. Attac muss darum einen Schritt weiter gehen. Wenigstens einen klitzekleinen.
Fragen an den Mitgründer Sven Giegold
Zuender: Herr Giegold, können Sie in einem Satz sagen, was Attac eigentlich ist und was Sie wollen?
Sven Giegold: Attac ist ein Netzwerk von globalisierungskritischen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich für soziale, ökologische und demokratische Rechte im Prozess der Globalisierung einsetzen.
Zuender: Was genau verbirgt sich hinter dem Wort "Globalisierungskritik"?
Sven Giegold: Das heißt, dass wir die negativen Auswirkungen der Globalisierung kritisieren und den Prozess sozial, ökologisch und demokratisch unter Kontrolle bringen wollen.
Zuender: Etwas konkreter bitte.
Sven Giegold: Ein positiver Effekt der Globalisierung ist zum Beispiel, dass Menschen sich über Staatengrenzen hinweg begegnen. Negativ daran ist aber, dass auf Grund der Freiheit des Kapitals die soziale und demokratische Kontrolle des Kapitalismus kaum noch möglich ist.
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Zuender: Was heißt "Freiheit des Kapitals"?
Sven Giegold: Dass die Bürger frei entscheiden können, wo sie ihre Ersparnisse anlegen können. Aber auch, dass Unternehmen entscheiden können, wo sie investieren. Oft tun sie das in Ländern, in denen üble Produktionsbedingungen herrschen, weil das am profitabelsten ist.
Zuender: Diese Kritik kommt inzwischen von vielen Seiten. Auch die CDU will Hedge-Fonds stärker kontrollieren.
Sven Giegold: Das bedeutet, dass die ursprünglichen Ziele von Attac im Mainstream angekommen sind. Das freut uns. Was uns nicht freut ist, dass daraus kein Handeln folgt.
Alle reden vom Klimaschutz, die Bundeskanzlerin hält sich für eine Klimakanzlerin. Aber diese lässt in Deutschland zwanzig neue Kohlekraftwerke bauen. Die Beispiele für den Widerspruch zwischen ethischem Reden und neoliberalem Handeln sind leider endlos.
Die Politiker haben unsere Rethorik übernommen, machen ansonsten aber weiter wie immer.
Zuender: Auch auf der Linken haben Sie Konkurrenz bekommen. Während des G8-Gipfels im vorigen Jahr haben andere Attac die Show gestohlen.
Sven Giegold: Wirklich? Unsere Auswertung hat ergeben, dass Attac noch nie so viel mediale Aufmerksamkeit hatte, wie rund um den G8-Gipfel. Es stimmt, dass die Minderheit der Blockierer um Heiligendamm Attac-Mitglieder waren. Kann sein, dass wir einigen jungen Aktivisten zu gemäßigt sind. Attac ist aber deshalb so groß geworden, weil wir gewaltfrei handeln und Lösungsvorschläge machen, die heute umsetzbar wären.
Zuender: Was ist mit der Linkspartei? Die hat das Thema soziale Gerechtigkeit inzwischen abonniert.
Sven Giegold: Unsere Funktion als einzige organisierte Kraft gegen Hartz IV haben wir verloren. Das finde ich aber gar nicht so schlimm – dass Attac sich mit der sozialen Frage aus innenpolitischer Sicht befasste, empfand ich sowieso als Notlösung. Unser Kernthema war schon immer der internationale Einsatz für soziale, ökologische und demokratische Rechte.