Denn London bekämpft seine Rattenplage beharrlich. Ob man
Banksys
illegale Arbeit schätzt oder nicht – inmitten der englischen Metropole unerkannt zu sprühen, bleibt ein bemerkenswerter Geniestreich. Die Stadt, die 24-Stunden von CCTV-Kameras überwacht wird, bietet wenig Raum für Straßenkunst. Mit ihrer "Null Toleranz-Politik" nach amerikanischem Vobild geht sie radikal gegen Kultur außerhalb des Mainstreams vor. Die Tatsache, dass
Banksy
noch nicht erwischt wurde, lässt sich nur dadurch erklären, dass er seine Stadt und ihren Rhythmus sehr gut kennt; denn London besitzt einen erstaunlich gleichmäßigen Nacht-und Tagesablauf.
Doch die Londoner haben mittlerweile gelernt, mit den ungeliebten Graffiti Geld zu verdienen. In der
Tate Modern Gallery
– dem Tempel für moderne Kunst – dürfen noch bis zum 25. August die Besten der Szene ausstellen. Sogar die Außenfassade der
Tate
wurde von Größen wie
Os Gemeos
,
BLU
oder
JR
bemalt und beklebt. Riesenhafte Männlein lugen nun auf den erstaunten Betrachter herab.
Banksy
nahm am
Tate
-Rummel nicht teil. Er organisierte währenddessen das weit weniger bekannte
Cans
-Festival. In einem Tunnel-Geflecht unterhalb des
Waterloo
-Bahnhofs und der
Leake Street
in London, versammelten sich Sprayer der Untergrund-Szene. Es gilt als eine der größten
Stencil
-Shows weltweit. Anders als in der
Tate
durfte hier auch jeder kommen – nicht nur die Besten.
Banksy
gilt als der Ausrichter des Festivals und nicht zuletzt sollte man die Show als Hommage an die alten Zeiten sehen, als er mit seinem
Walls on Fire
durchstartete. Beim
Cans
-Festival standen den Künstlern zahlreiche Tunnelflächen zur Verfügung, auf denen sie sprühen, kleben und malen durften. Auch Installationen mit Autos, die zu Schrott-Bergen aufgetürmt wurden, waren zu sehen. Natürlich hinterließ
Banksy
auch einen eigenen Beitrag: das Bild eines Mannes mit Hochdruckreiniger, der die Wand von einer Höhlenmalerei säubert.
Am eindrucksvollsten ist
Banksy
jedoch mit seinen spektakulären Guerilla-Aktionen, bei denen er das Publikum gekonnt verunsichert. So ergänzte er z.B. das Denkmal einer Frau im Streitwagen, das vor dem Big Ben am Themse Ufer steht mit einer dreieckigen, gelben Wegfahrsperre. Damit werden in England von der Polizei normalerweise falsch geparkte Autos blockiert. Im Zoo von Barcelona stieg er in das Tiergehege und mischte Schilder wie: "Ich bin ein Star, holt mich hier raus!" unter die Affen. Und im Disneyland in Kalifornien hinterließ er – gut sichtbar im orangenen Strafanzug – einen aufblasbaren Guantanamo-Häftling; kauernd zwischen Kakteen, Kinder und der bunten Eisenbahn.
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Banksy
liebt es, das Publikum zu provozieren. Seine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Establishment, Krieg und Kapitalismus wird oft als zu subversiv verurteilt. Zuletzt hetzte er sich sogar Tierschützer auf den Hals, als er einen besprühten Elefanten in einem Zimmer ausstellte.
Ähnlich spektakulär sind seine
Go-Ins
. Das
Louvre
in Paris, das
National History Museum
in London, oder das
Museum of Modern Art
in New York – überall hingen schon
Banksys
Werke, wenn auch nur für kurze Zeit. Verkleidet mit Schlapp-Hut und Mantel mischte er sich unter die Museumsbesucher, um die eigenen Gemälde an die Wand zu pinnen. Anders als andere Gegenwartskünstler beherrscht Banksy das altmeisterliche Genre des Gemäldes hervorragend. So kam er darauf, seine
vandalised Paintings
unter die öffentlichen Sammlungen zu mischen. Das sind Gemälde, die in entscheidenden Details vom Original abweichen. Aus Andy Warhols berühmten
Campbells
-Dosensuppen macht er per Siebdruck Tomatendosen des britischen Supermarkts
Tesco
. Das
Natural History Museum
in London nahm eines seiner "Exponate" sogar in die ständige Sammlung auf. Dabei handelt es ich um eine vermeintliche Höhlenzeichnung, die
Banksy
mit Filzmarker auf Stein kritzelte. Zu sehen ist: Ein Höhlenmensch der einen Einkaufswagen schiebt.
Als Anfang des Jahres in Berlin
Banksys Stencils
verschwanden, lag das nicht daran, dass die Stadt wie in London vom Graffiti bereinigt werden sollte – im Gegenteil. Laut Berichten der lokalen Presse hatten professionelle Restaurateure die
Banksy
-Bilder im Auftrag eines Privatmannes für mehrere tausend Euro aus der Wand gebrochen. Der Auftrag lohnte sich - in London wurde etwa zur gleichen Zeit
Banksys
Siebdruck-Porträt von Kate Moss für 130.000 Euro versteigert. Die renommierte deutsche Kunstzeitschrift
art
adelte den unbekannten Weltstar mit einer Titelgeschichte. Und das Berliner Boulevard-Blatt
BZ
veröffentlichte gar einen Info-Text, der Hausbesitzern erläuterte, wie sie herausfinden können, ob auch an ihrer Hauswand ein wertvoller "Banksy" zu finden ist.
Leider illustrierte die Redaktion
den Text mit einem Bild, das gar nicht von
Banksy
stammte.
Zum Schluss bleibt die Frage: Wer ist dieser
Banksy
? Existiert er überhaupt? Oder handelt es sich um ein Sprayer-Kollektiv und keine Einzelperson? Ist er vielleicht eine Frau oder kann er sich nur gut verkleiden? Trotz dem Medien-Rummel bleibt er der Öffentlichkeit unzugänglich. Vielleicht weiß er, dass er seine Akzeptanz innerhalb der Szene nur wahren kann, indem er anonym bleibt. Letztlich ist er ein Sprayer, der es sich mit seinen Kumpels nicht verscherzen will. Oder wie er einmal selbst von sich behauptete: "Ich gehe eine ziemlich sichere Wette ein, dass meine reale Person eine vernichtende Enttäuschung für einige der 15jährigen dort draußen wäre."